23.11.2023

"Finanzielle Eingliederung" bei unterjähriger Verschmelzung auf eine Personengesellschaft; Feststellungsgegenstand des § 14 Abs. 5 KStG

1. Im Fall der Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft tritt der übernehmende Rechtsträger (Organträger) hinsichtlich des Merkmals der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) auch dann nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 UmwStG 2006 in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird. Dies gilt auch für das Merkmal der Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG (Bestätigung und Fortentwicklung der Senatsurteile vom 28.07.2010 - I R 89/09, BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 und I R 111/09, BFH/NV 2011, 67, sog. Fußstapfentheorie).
2. Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung des § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG sind das dem Organträger zuzurechnende Einkommen und "damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen". Dies umfasst ‑‑zumindest "incidenter"‑‑ auch die Statusfrage (Bestehen/Nichtbestehen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft).
3. Der Gewerbesteuermessbescheid ist im Verhältnis zum Feststellungsbescheid des § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG kein Folgebescheid.

Kurzbesprechung
BFH v. 11.7.2023 - I R 21/20 u.a.

KStG § 14 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 14 Abs 1 S 1 Nr. 2 S 4, § 14 Abs 5
UmwStG 2006 § 4 Abs 2 S 1, § 4 Abs 2 S 3, § 12 Abs 3
GewStG § 35b
AO § 179 Abs 1
FGO § 40 Abs 1, § 40 Abs 2, § 42, § 99 Abs 1


Im Streitfall bestand ursprünglich zwischen der A-GmbH (Steuerpflichtige) als Organgesellschaft und der B-GmbH als Organträgerin eine steuerliche Organschaft. Nachdem die X-OHG im März 2015 sämtliche Anteile der B-GmbH erworben hatte, wurde die B-GmbH im November 2015 mit Rückwirkung zum April 2015 auf die X-OHG verschmolzen. Die Steuerpflichtige, deren Wirtschaftsjahr schon im Januar 2015 begonnen hatte, wollte daraufhin für das gesamte Jahr 2015 als Organgesellschaft der X-OHG behandelt werden. Das FA lehnte dies im Einklang mit der vom BMF veröffentlichten Auffassung ab. Aufgrund des zeitlich nachfolgenden Umwandlungsstichtags (April 2015) sei die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft in die (neue) Organträgerin (X-OHG) zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Steuerpflichtigen (noch) nicht erfüllt gewesen.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die eingelegte Klage Erfolg. Die vom FA eingelegte Revision wies der BFH zurück.

Er entschied, dass nicht der steuerliche Umwandlungsstichtag, sondern eine spezielle Regelung des Umwandlungssteuergesetzes maßgeblich ist, die einen umfassenden Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers (X-OHG) in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers (B-GmbH) vorsieht (sog. Fußstapfentheorie). Hierzu gehört auch die finanzielle Eingliederung der Steuerpflichtigen in die Organträgerin als Voraussetzung für eine steuerliche Organschaft.

Der BFH verweist hierzu auf seine bisherige Rechtsprechung (BFH v. 28.07.2010 - I R 89/09 BStBl II 2011, 528 und I R 111/09, BFH/NV 2011, 67) zu den Auswirkungen umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge auf das Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, wonach für den Fall der Einbringung einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 entscheidend auf die Anwendung von § 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 abzustellen ist. Aus diesen Vorschriften folgt, dass die übernehmende Körperschaft umfassend und vorbehaltlos in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintrete (sogenannte Fußstapfentheorie). Dies gilt auch für die körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsvoraussetzungen. Deshalb ist es ausreichend, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden Rechtsträger und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht. Der BFH hält an dieser Rechtsprechung fest.

In diesem Zusammenhang ist auch nicht entscheidend, dass sich die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge im Streitfall nicht aus § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG, sondern aus § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 UmwStG ergibt. Denn aufgrund des vergleichbaren Wortlauts der Vorschriften und des Verweises in § 12 Abs. 3 UmwStG auf § 4 Abs. 2 UmwStG führt dies nicht zu inhaltlichen Änderungen, sondern die Ausführungen zur umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG gelten für § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 UmwStG entsprechend.

Der Umstand, dass die Fragen, ob die finanzielle Eingliederung rechtlicher oder rein tatsächlicher Natur ist und ob dieses Merkmal von der umwandlungssteuerlichen Rückwirkung nach § 20 Abs. 7 und Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 erfasst wird, in den vorgenannten Senatsurteilen offen bleiben konnten, hat bereits deutlich gemacht, dass allein die umwandlungssteuerliche Rechtsnachfolge nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG (hier: § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 UmwStG) zur finanziellen Eingliederung in den übernehmenden Rechtsträger (Organträger) führen kann und nicht zusätzlich die Voraussetzungen einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft vorliegen müssen.

Die Anwendung der Fußstapfentheorie ist dabei auch nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen das Unternehmen der Organgesellschaft zuvor ein Teilbetrieb des übertragenden Rechtsträgers war. Mit seinen Ausführungen zur Teilbetriebseigenschaft als "stärkste Form der Eingliederung" hat der BFH in dem Urteil vom 28.07.2010 - I R 89/09, BStBl II 2011, 528 lediglich begründet, weshalb die Fußstapfentheorie auch auf eine Sachverhaltskonstellation ausgedehnt wurde, bei der die für die finanzielle Eingliederung maßgebliche Beteiligung an der Organgesellschaft erst durch eine rückwirkende Ausgliederung entstanden war.

Außerdem hat der BFH klargestellt, dass über das Bestehen oder Nichtbestehen einer steuerlichen Organschaft für ab dem Jahr 2014 beginnende Zeiträume in einem gesonderten Feststellungsverfahren mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren aller beteiligten Gesellschaften zu entscheiden ist. Denn für die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sieht § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG vor, dass das dem Organträger zuzurechnende Einkommen und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich festzustellen sind. Diese Feststellungen sind nach § 14 Abs. 5 Satz 2 KStG für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und der Organgesellschaft bindend.

Hinweis: Die Entscheidung I R 21/20 ist teilweise inhaltsgleich mit den ebenfalls am 23.11.2023 veröffentlichten Urteilen v. 11.7.2023 I R 36/20, I R 40/20 und I R 45/20.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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