Forderungsvereinnahmung in der Insolvenz bei Eigenverwaltung
BFH 27.9.2018, V R 45/16Der Kläger ist Insolvenzverwalter in einem zweiten Insolvenzverfahren der I-GmbH, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG versteuerte. Im August des Streitjahres 2012 war über das Vermögen der GmbH ein erstes Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung gem. § 270 InsO angeordnet worden. Im eröffneten Verfahren vereinnahmte die GmbH Entgelte für Leistungen, die sie bereits zuvor erbracht hatte. Sie ging davon aus, dass die Steuer für diese Leistungen bei der Berechnung der sich für dieses Jahr ergebenden Insolvenzforderung zu berücksichtigen sei. Im Januar 2013 wurde ein Insolvenzplan bestätigt, im Februar 2013 wurde das und das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass die Steuer für die Leistungen, die die GmbH bereits vor Insolvenzeröffnung erbracht hatte, für die die GmbH die Entgelte aber erst nach Insolvenzeröffnung im Verfahren vereinnahmt hatte, nach dem BFH-Urteil vom 9.12.2010, Az.: V R 22/10 zur sog. Berichtigungssequenz entsprechend § 17 UStG bei der Berechnung der sich für das Streitjahr ergebenden Masseverbindlichkeit zu berücksichtigen sei und änderte die Steuerfestsetzung für den Voranmeldungszeitraum August 2012 entsprechend. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging der Umsatzsteuerjahresbescheid 2012, der gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens wurde.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Vereinnahmt der Insolvenzschuldner im Rahmen der Eigenverwaltung das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung, begründet dies eine Masseverbindlichkeit.
Hat ein Unternehmer, der der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten als sog. Sollbesteuerung unterliegt (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG), eine Leistung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, für die erst der Insolvenzverwalter die Gegenleistung vereinnahmt, führt die Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter nach nunmehr ständiger Rechtsprechung der beiden für Umsatzsteuerrecht zuständigen Senate des BFH zu einer Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 u. Abs. 1 S. 1 UStG, die insolvenzrechtlich eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet, während die zuvor für Leistungserbringung vorgenommene Besteuerung für das Jahr der Insolvenzeröffnung zu berichtigen und bei der Berechnung der sich für dieses Jahr ergebenden Umsatzsteuerjahresinsolvenzforderung zu berücksichtigen ist.
Der erkennende Senat hält hieran unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben fest. Für die dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Berichtigungsvorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG besteht mit Art. 90 MwStSystRL eine eindeutige Grundlage. Der EuGH hat dabei auch die gesetzliche Anordnung einer zweiten Berichtigung, wie sie sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 u. Abs. 1 S. 1 UStG ergibt, ausdrücklich gebilligt (EuGH-Urteil Di Maura vom 23.11.2017, C-246/16). Da für den Insolvenzfall keine unionsrechtliche Harmonisierung der sich hierfür im Mehrwertsteuerrecht ergebenden Rechtsfolgen besteht, obliegt es den Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen durch Art. 90 und Art. 273 MwStSystRL eingeräumten Regelungsbefugnisse diese zu bestimmen, wobei die Entscheidung über die dabei zu treffenden Auslegungsfragen des geltenden Rechts der Rechtsprechung obliegt.
Die Vereinnahmung von Entgelten nach Insolvenzeröffnung für bereits vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen führt auch im Verfahren der Eigenverwaltung zu einer zweiten Berichtigung als Masseverbindlichkeit. Zu der insolvenzrechtlichen Trennung in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit und den sich hieraus weiter ergebenden Folgen für die Anspruchsdurchsetzung kommt es auch im Verfahren der Eigenverwaltung nach § 270 InsO. Dem steht die fehlende Bestellung eines Insolvenzverwalters nicht entgegen. Denn im Verfahren der Eigenverwaltung übt der Schuldner die Funktion des Verwalters aus.
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