01.08.2016

Freibetragsregelung trotz Optionsmöglichkeit unionsrechtswidrig

Eine in Großbritannien lebende Schenkerin, die hinsichtlich eines in Deutschland belegenen Grundstücks (beschränkt) schenkungsteuerpflichtig ist, hat Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein Schenker, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist. Das gilt ungeachtet der Möglichkeit, zur unbeschränkten Steuerpflicht zu optieren.

FG Düsseldorf 13.7.2016, 4 K 488/14 Erb
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ihre Töchter sind deutsche Staatsangehörige. Sie leben in Großbritannien. Die Klägerin war hälftige Miteigentümerin eines in Düsseldorf belegenen Grundstücks. Im September 2011 hatte sie ihren Miteigentumsanteil auf ihre Töchter übertragen. Im Schenkungsvertrag verpflichtete sie sich, die anfallende Schenkungsteuer zu übernehmen. Eine Behandlung der Schenkung als unbeschränkt steuerpflichtig war nicht beantragt worden.

Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Dabei berücksichtigte es einen Freibetrag von jeweils 2.000 €, der nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für beschränkt Steuerpflichtige gilt. Bei unbeschränkter Steuerpflicht ist für Schenkungen an Kinder ein Freibetrag von jeweils 400.000 € vorgesehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die gesetzlich vorgesehene Ungleichbehandlung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist. Daraufhin hat der Gesetzgeber ein Recht geschaffen, die Behandlung des Erwerbs als unbeschränkt steuerpflichtig zu beantragen.

Der EuGH hat auf Vorlagebeschluss des FG mit Urteil vom 8.6.2016 (Rs. C-479/14) entschieden, dass die Art. 63 und 65 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach bei Schenkungen unter Gebietsfremden die Steuer unter Anwendung eines niedrigeren Steuerfreibetrags berechnet wird, wenn der Erwerber keinen spezifischen Antrag stellt. Die Artikel stehen auch und auf jeden Fall einer nationalen Regelung entgegen, wonach die Steuer auf Antrag eines solchen Erwerbers unter Anwendung des höheren Freibetrags berechnet wird, der für Schenkungen unter Beteiligung zumindest eines Gebietsansässigen gilt, wobei die Wahrnehmung dieser Option durch den gebietsfremden Erwerber bewirkt, dass für die Berechnung der Steuer auf die betreffende Schenkung alle Schenkungen, die dieser Schenkungsempfänger in den zehn Jahren vor und den zehn Jahren nach der Schenkung von derselben Person erhalten hat, zusammengerechnet werden.

Daraufhin gab das FG der Klage statt.

Die Gründe:
Das beklagte Finanzamt hatte die Steuer zu Unrecht ohne Berücksichtigung jeweils eines persönlichen Freibetrags von 400.000 € festgesetzt.

Nach § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG (hier: i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24.12.2008) gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Die vorliegenden Schenkungen unter Lebenden (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) waren jeweils i.H.v. 400.000 € steuerfrei. Das ergab sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Danach bleibt der Erwerb der Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 i.H.v. 400.000 € steuerfrei. Obgleich dies nach dem Wortlaut der Bestimmung nur in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gelten soll, konnte die Klägerin nicht nur auf den Freibetrag des § 16 Abs. 2 ErbStG von 2.000 € verwiesen werden. Dem stand das EuGH-Urteil (s.o.) entgegen. Danach konnte die einschränkende Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG im vorliegenden Fall nicht angewendet werden.

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