Gemeinden in Baden-Württemberg dürfen Veranstalter von sexuellen Vergnügungen besteuern
VGH Mannheim 23.2.2011, 2 S 196/10Die Klägerin betreibt ein sog. "Laufhaus" in Leinfelden-Echterdingen mit 33 Zimmern, die an Prostituierte vermietet werden, einem Kontakthof mit verschiedenen Spiel- und Fernsehgeräten und einem Café. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen erhebt seit 1.1.2008 von den Unternehmen, die bestimmte Vergnügungen mit sexuellem Hintergrund veranstalten, Vergnügungssteuer, darunter auch für die "gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bordellen".
Für das Jahr 2008 setzte sie gegenüber der Klägerin eine Vergnügungssteuer i.H.v. insgesamt 53.504 € fest. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, nicht sie, sondern allenfalls die bei ihr tätigen Prostituierten seien Steuerschuldner. Zudem sei der Flächenmaßstab eine unzulässige Bemessungsgrundlage, weil er den individuellen Vergnügungsaufwand nicht ausreichend berücksichtige. Sachgerechter sei eine Anknüpfung der Steuer an die zeitliche Nutzung der Zimmer durch die Prostituierten.
Das VG gab der Klage teilweise statt. Es sah den Vergnügungssteuerbescheid nur i.H.v. 30.524 € als rechtmäßig an; die Flächen des Kontakthofs und des Cafés dürften im Rahmen des Flächenmaßstabs nicht berücksichtigt werden. Auf die Berufung der Beklagten änderte der VGH das Urteil ab und erklärte die Erhebung der Vergnügungssteuer bei der Klägerin insgesamt für rechtmäßig. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils durch Beschwerde zum BVerwG angefochten werden.
Die Gründe:
Gegenstand der Vergnügungssteuer können Vergnügungen jeglicher Art sein und damit auch solche sexueller Art. Unerheblich ist, dass die Steuer nicht bei den sich vergnügenden Besuchern der jeweiligen Einrichtung, die sie im Grunde treffen soll, sondern zur Vereinfachung bei dem Veranstalter des Vergnügens erhoben wird. Es reicht in diesem Zusammenhang aus, wenn dieser die Möglichkeit hat, die Steuer auf die Besucher abzuwälzen. Dass im Fall der Klägerin eine Abwälzung der Vergnügungssteuer faktisch unmöglich wäre, ist nicht ersichtlich.
Es verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, die Vergnügungssteuer nach der Veranstaltungsfläche zu bemessen. Mit der Größe der Veranstaltungsfläche steigen typischerweise auch die Einnahmen, weil mehr Gäste aufgenommen werden können. Der bei einer Veranstaltung erzielte Umsatz steht auch in Relation zu dem durchschnittlichen Aufwand der Veranstaltungsbesucher und stellt so den geforderten Bezug zwischen der Veranstaltungsfläche und dem im Ergebnis zu besteuernden Aufwand her. Zu Recht hat die Stadt auch die Klägerin und nicht die einzelnen Prostituierten als Steuerschuldnerin herangezogen. Sie stellt nicht lediglich den Prostituierten die Räumlichkeiten zur Verfügung, vielmehr liegt die Gesamtkonzeption des "Laufhauses" ausschließlich in ihren Händen. Aufgrund dieser unternehmerischen Tätigkeit fließen ihr auch die entsprechenden Einnahmen zu.
Die Stadt hat der Steuererhebung auch zu Recht nicht nur die Flächen der Zimmer der Prostituierten, sondern auch diejenigen des Kontakthofs und des Cafés zugrunde gelegt. Der unmittelbare sexuelle Kontakt zwischen Prostituierten und Kunden findet zwar nur in den einzelnen Zimmern statt. Bei einer sinnorientierten Gesamtschau machen aber gerade auch der Kontakthof und das Café den besonderen Charakter des Bordells aus und tragen damit zur Attraktivität der vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltung bei. Die Kombination verschiedener Servicebereiche und Aufenthaltsmöglichkeiten soll den Kunden anziehen und ist deshalb untrennbar mit den (verbesserten) Geschäftschancen auch der Klägerin verbunden.