Geschäftsführerhaftung: Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen
Kurzbesprechung
BFH-Beschluss.15. 11. 2022 - VII R 23/19
AO § 34 Abs 1 S 1, § 34 Abs 1 S 2, § 69 S 1, § 171 Abs 10, § 191 Abs 1 S 1, § 191 Abs 3 S 4, § 238 § 76 Abs 1 S 1
GmbHG § 35 Abs 1 S 1
ZPO § 295
Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn als Geschäftsführer der GmbH hatte der Haftungsschuldner gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG u.a. die Pflicht, die Steuererklärungen vollständig, richtig und rechtzeitig abzugeben und unzutreffende Steuererklärungen unverzüglich zu berichtigen (§ 153 AO). Außerdem war er verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet würden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO).
Im Streitfall hatte der Haftungsschuldner diese Pflichten durch Nichtabgabe der Steuererklärungen zur Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer für das Jahr 2009 sowie durch Abgabe unzutreffender Steuererklärungen zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2008 und 2010 und zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2008 und von 2010 bis zum ersten Quartal 2012 objektiv verletzt. Ferner hatte er nicht dafür gesorgt, dass die fälligen Steueransprüche erfüllt wurden.
Der Haftungsschuldner hatte auch schuldhaft gehandelt. Der Umstand, dass die Geschäfte der GmbH tatsächlich durch seinen Sohn geführt worden sind, entlastete ihn nicht.
Auch das fortgeschrittene Alter des Haftungsschuldners und der Einwand, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen, stehen der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht entgegen. Denn die objektive Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens indizierte das Verschulden i.S. von § 69 Satz 1 AO. Auf das eigene Unvermögen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, kann sich dabei niemand berufen.
Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses Amt niederlegen muss. Wer hingegen die Stellung eines Geschäftsführers nominell und formell übernimmt, haftet, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, nach § 69 AO grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben nachzukommen.
Im Streitfall war das FG zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Nichtabgabe von Steuererklärungen und die Abgabe unzutreffender Steuererklärungen für die GmbH in Bezug auf die im Streitfall maßgeblichen Jahre ein grob pflichtwidriges ‑‑d.h. ein i.S. von § 69 Satz 1 AO zumindest grob fahrlässiges ‑ Verhalten des Haftungsschuldners indizieren.
Außerdem war unstreitig, dass der Haftungsschuldner die faktische Geschäftsführung durch seinen Sohn geduldet und ihm das "Tagesgeschäft" überantwortet hatte. Das FG hatte hierzu festgestellt, dass sich der Haftungsschuldner um die Geschäftsführung der GmbH tatsächlich nicht gekümmert hatte und dass er insbesondere auch keine geeigneten Aufsichtsmaßnahmen ergriffen hatte, mit denen er hätte sicherstellen können, dass die steuerlichen Pflichten der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt worden wären.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 34 Abs 1 S 1, § 34 Abs 1 S 2, § 69 S 1, § 171 Abs 10, § 191 Abs 1 S 1, § 191 Abs 3 S 4, § 238 § 76 Abs 1 S 1
GmbHG § 35 Abs 1 S 1
ZPO § 295
Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn als Geschäftsführer der GmbH hatte der Haftungsschuldner gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG u.a. die Pflicht, die Steuererklärungen vollständig, richtig und rechtzeitig abzugeben und unzutreffende Steuererklärungen unverzüglich zu berichtigen (§ 153 AO). Außerdem war er verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet würden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO).
Im Streitfall hatte der Haftungsschuldner diese Pflichten durch Nichtabgabe der Steuererklärungen zur Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer für das Jahr 2009 sowie durch Abgabe unzutreffender Steuererklärungen zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2008 und 2010 und zur Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2008 und von 2010 bis zum ersten Quartal 2012 objektiv verletzt. Ferner hatte er nicht dafür gesorgt, dass die fälligen Steueransprüche erfüllt wurden.
Der Haftungsschuldner hatte auch schuldhaft gehandelt. Der Umstand, dass die Geschäfte der GmbH tatsächlich durch seinen Sohn geführt worden sind, entlastete ihn nicht.
Auch das fortgeschrittene Alter des Haftungsschuldners und der Einwand, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen, stehen der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht entgegen. Denn die objektive Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens indizierte das Verschulden i.S. von § 69 Satz 1 AO. Auf das eigene Unvermögen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, kann sich dabei niemand berufen.
Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses Amt niederlegen muss. Wer hingegen die Stellung eines Geschäftsführers nominell und formell übernimmt, haftet, sofern ihm auch der Vorwurf persönlichen Verschuldens mindestens vom Grade grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, nach § 69 AO grundsätzlich auch dann, wenn er nicht befähigt oder aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Überwachungsaufgaben nachzukommen.
Im Streitfall war das FG zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Nichtabgabe von Steuererklärungen und die Abgabe unzutreffender Steuererklärungen für die GmbH in Bezug auf die im Streitfall maßgeblichen Jahre ein grob pflichtwidriges ‑‑d.h. ein i.S. von § 69 Satz 1 AO zumindest grob fahrlässiges ‑ Verhalten des Haftungsschuldners indizieren.
Außerdem war unstreitig, dass der Haftungsschuldner die faktische Geschäftsführung durch seinen Sohn geduldet und ihm das "Tagesgeschäft" überantwortet hatte. Das FG hatte hierzu festgestellt, dass sich der Haftungsschuldner um die Geschäftsführung der GmbH tatsächlich nicht gekümmert hatte und dass er insbesondere auch keine geeigneten Aufsichtsmaßnahmen ergriffen hatte, mit denen er hätte sicherstellen können, dass die steuerlichen Pflichten der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt worden wären.