23.08.2023

Gesetzeslücke bei der Schenkungsteuer ermöglicht steuerfreie Wertverschiebungen

Die disquotale Einlage in die ungebundene Kapitalrücklage einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) stellt keinen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang dar. Dem Gericht ist bewusst, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 7 Abs. 8 ErbStG die Besteuerungslücken in Fällen disquotaler Einlagen hatte schließen wollen. Im Gesetz ist aber eine - vom Kläger genutzte - Lücke verblieben. Da die Rechtsprechung einen solcher Fall bisher nicht entschieden hat, wurde die Revision zum BFH zugelassen.

FG Hamburg v. 11.7.2023, 3 K 188/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger und sein Vater hatten 2019 eine KGaA gegründet. Das Grundkapital wurde vollständig vom Vater des Klägers als alleinigem Kommanditaktionär übernommen. Der Kläger leistete als persönlich haftender Gesellschafter (phG) eine Vermögenseinlage in die KGaA. Nach der Satzung der KGaA sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zum Gesamtkapital, das sich aus dem Grundkapital und der Vermögenseinlage zusammensetzt, am Gewinn und an den Rücklagen der KGaA beteiligt. Vorliegend betrug das Verhältnis 90% zu 10% zugunsten des Klägers.

Kurz nach der Eintragung der KGaA erbrachte der Vater eine Einlage in mehrstelliger Millionenhöhe in eine ungebundene Kapitalrücklage der KGaA, die nach der Satzung nicht zu den Kapitalkonten zählte (disquotale Einlage). Das Finanzamt sah darin einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG und erließ einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid gegenüber dem Kläger. Der Kläger war der Ansicht, dass weder die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 ErbStG noch die des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben seien.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: II R 23/23 anhängig.

Die Gründe:
Zu Unrecht hatte das Finanzamt angenommen, es liege eine Schenkung unter Lebenden i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG durch den Vater an den Kläger vor. Die Einlage in die ungebundene Kapitalrücklage der KGaA erfüllte weder den Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, noch den Tatbestand des § 7 Abs. 6 ErbStG oder den des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Auch die Voraussetzungen eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, § 42 AO, lagen nicht vor.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Bei der KGaA handelte es sich zwar um eine Kapitalgesellschaft. Auch hatte sich der Wert der Beteiligung des Klägers durch die disquotale Einlage des Vaters erhöht. Jedoch war die Beteiligung des Klägers, weil er nicht an dem Grundkapital der KGaA beteiligt war, kein "Anteil an einer Kapitalgesellschaft" i.S.d. Gesetzes.

Das ErbStG hat in § 13a und § 13b bereits vor Einführung von § 7 Abs. 8 ErbStG zwischen dem Anteil eines pHG an einer KGaA einerseits und dem Anteil an einer Kapitalgesellschaft andererseits unterschieden. Dieselbe Unterscheidung liegt auch Vorschriften des EStG und des BewG zu Grunde. Dem Gericht ist bewusst, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 7 Abs. 8 ErbStG die Besteuerungslücken in Fällen disquotaler Einlagen hatte schließen wollen. Im Gesetz ist aber eine - vom Kläger genutzte - Lücke verblieben. Sie zu schließen, liegt außerhalb der Kompetenz der Finanzverwaltung und ‑gerichte, sondern ist dem Gesetzgeber vorbehalten.

Die streitige Rechtsfrage zur schenkungssteuerlichen Behandlung disquotaler Einlagen in eine KGaA ist bisher durch die Rechtsprechung nicht entschieden, weshalb die Revision zum BFH zugelassen wurde.

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FG Hamburg - Pressemitteilung vom 23.8.2023
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