Gestaltungsmodell ist in der Landwirtschaft nicht mehr anerkannt
BFH 1.3.2018, V R 35/17Der Kläger hatte im Streitjahr 2005 einen Rinderboxenlaufstall mit Melkkarussell sowie einen Kälberaufzuchtstall errichtet, die er ab November 2005 an eine GbR verpachtete. Gesellschafter der GbR waren der Kläger und seine Ehefrau. Die GbR unterhielt einen landwirtschaftlichen Betrieb und versteuerte ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG. Der Kläger ging davon aus, dass seine Leistungen an die GbR steuerfrei seien und erklärte einen Verzicht auf die Steuerfreiheit. Dementsprechend machte er aus der Errichtung der verpachteten Gegenstände einen Vorsteuerabzug geltend.
Im Anschluss an eine Außenprüfung war das Finanzamt der Ansicht, dass der Kläger zwar zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, aber mit der GbR ein unübliches Entgelt vereinbart habe, so dass die sog. Mindestbemessungsgrundlage anzuwenden sei. Das FG wies die gegen den geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Gründe:
Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Verzicht nach § 9 Abs. 2 UStG nicht vorliegen, wenn die Vermietung oder Verpachtung an einen Pauschallandwirt erfolgt, dessen Umsätze § 24 Abs. 1 UStG unterliegen. Damit wendet sich der Senat gegen ein von der Finanzverwaltung akzeptiertes Gestaltungsmodell (Abschn. 9.2 Abs. 2 UStAE). Das FG hat aber keine hinreichenden Feststellungen zum Umfang der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG getroffen.
Der Verzicht setzt nach § 9 Abs. 1 u. 2 UStG eine Leistung an einen Unternehmer voraus, der diese Leistung für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet. Verpachtet ein Unternehmer ein Grundstück an einen Landwirt, der seine Umsätze gem. § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, kann der Verpächter allerdings nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 S. 1 UStG verzichten. Pauschallandwirte, die ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG versteuern, verwenden das von ihnen gemietete oder gepachtete Grundstück i.S.v. § 9 Abs. 2 S. 1 UStG für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Dies ergibt sich aus dem Verbot des "weiteren" Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 S. 4 UStG. Hierdurch schließt das Gesetz einen leistungsbezogenen Vorsteuerabzug aus, wie ihn § 9 Abs. 2 S. 1 UStG voraussetzt.
Bestätigt wird dies durch das vom historischen Gesetzgeber mit § 9 Abs. 2 S. 1 UStG verfolgte Regelungsziel, Vorschaltmodellen entgegenzuwirken. Ausgangspunkt für diese Vorschaltmodelle ist die - beim unternehmerisch tätigen Mieter oder Pächter - fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Diese ergibt sich gleichermaßen aus § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG wie auch aus § 24 Abs. 1 S. 4 UStG. Hierfür spricht auch der zwischen § 9 UStG und § 15 UStG bestehende Regelungszusammenhang, der dazu führt, die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung für beide Normbereiche einheitlich zu beurteilen.
Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif. Das FG hat nicht geprüft, ob und inwieweit die Leistungen nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei sind.
Hintergrund:
Nach Angaben des Bundesrechnungshofs wenden über 70 % der Landwirte in Deutschland die Sonderregelung nach § 24 Abs. 1 UStG an. Aufgrund des Urteils des BFH kommt für sie - ebenso wie bei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Banken und Sparkassen - der Einsatz sog. Vorschaltmodelle nicht mehr in Betracht.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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