Gewährung des Rabattfreibetrags auf Sondertickets für Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG
Hessisches FG v. 5.12.2018 - 8 K 2175/15Der Kläger ist Ruhestandsbeamter des Bundeseisenbahnvermögens (BEV) und erzielte in den Streitjahren 2012 und 2014 entsprechende Versorgungsbezüge. Zusätzlich erhielt er geldwerte Vorteile in Gestalt von Freifahrkarten für den inländischen Fernverkehr mit der Bezeichnung "Tagestickets M Fern F" sowie in zwei Fällen mit der Bezeichnung "Tagesticket M Fern Zu", die für 2012 mit 1.155 € und für 2014 mit 1.153 € zu bewerten sind. Die Fahrtberechtigungen wurden von der Deutschen Bahn AG bzw. deren Konzerngesellschaften gewährt, in deren Geschäftsbereich der Kläger während seiner aktiven Dienstzeit eingesetzt war und bei der es sich um die Nachfolgerin des früheren Sondervermögens Deutsche Bundesbahn handelt.
Nach den allgemeinen Bedingungen der Deutschen Bahn AG gewährten die Tagestickets M Fern F ein Nutzungsrecht in der Art einer Tagesnetzkarte im gesamten Netz der Deutsche Bahn und waren an einem maximal sechs Monate nach dem Erwerb liegenden, vor Fahrtantritt einzutragenden Tag (bzw. bis 3 Uhr des Folgetages) gültig, wobei die Fahrt beliebig oft unterbrochen werden durfte. Bestimmte Züge waren zu bestimmten Zeiten von der Nutzung ausgeschlossen. Die Anzahl der überlassenen Tagestickets M Fern F war begrenzt. Umtausch und Erstattung waren ausgeschlossen. Für das Tagesticket mit Zuzahlung galten entsprechende Bedingungen, jedoch mussten keine Sperrzeiten beachtet und es durften beliebig viele Fahrtberechtigungen erworben werden.
Das Finanzamt berücksichtigte in den Einkommensteuererklärungen des Klägers die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für 2012 mit 159.677 € und für 2014 mit 167.235 €, worin die genannten geldwerten Vorteile gemäß den Bescheinigungen ("Ausweisen") des BEV jeweils ungemindert als Einnahmen enthalten waren. Das FG gab der gegen die Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2014 gerichteten Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die Einkommensteuerfestsetzungen sind insoweit rechtswidrig, als das Finanzamt die Anwendung des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG in der beantragten Höhe verweigert hat.
Erhält ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen, so sind diese als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. §§ 8 Abs. 1, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassen. Der Höhe nach sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge), nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Bei Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, gelten als deren Werte abweichend hiervon gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG die um 4% geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 1.080 € im Kalenderjahr nicht übersteigen.
Diese Vorschriften kommen nach BFH-Rechtsprechung bei Berücksichtigung der Sondervorschrift des § 12 Abs. 8 DBGrG auch dann zur Anwendung, wenn einem vormals im Konzern der Deutschen Bahn AG beruflich eingesetzten Ruhestandsbeamten des BEV "Fahrvergünstigungen" der Deutschen Bahn AG eingeräumt werden. Dass die Vergünstigungen dabei nicht als Ausfluss eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses gewährt werden, ist irrelevant (BFH v. 26.4.2014, Az.: VI R 41/13).
Auch hier erhielt der Kläger geldwerte Vorteile in Gestalt von "Fahrvergünstigungen" der Deutsche Bahn AG, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG erfüllen. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes bestand allerdings der Sachbezug des Klägers nicht in den verklausuliert als "Tagesticket M Fern F" bzw. "Tageticket M Fern Zu" umschriebenen Berechtigungsscheinen, sondern in der am konkreten Tag erbrachten verbilligten Beförderungsleistung, wie sie in den Streitjahren auch allen anderen Kunden der Deutschen Bahn AG angeboten wurde. Diese Schlussfolgerung ist deshalb geboten, weil sich die gewährten Berechtigungen einerseits auf das gesamte Netz der Deutschen Bahn erstreckten, andererseits aber nur an einem vom Kläger verbindlich zu festzulegenden Tag (bzw. bis 3 Uhr des Folgetages) in Anspruch genommen werden konnten.
Insoweit schließt sich der Senat der zu jeweils identischen Sachverhalten ergangenen Rechtsprechung des 4. Senats des FG Hessen (Urteil v. 8.2.2017, Az.: 4 K 1925/15; Rev. BFH Az.: VI R 23/17) und des FG Nürnberg (Urt. v. 1.12.2016, Az.: 3 K 588/16; Rev. BFH Az.: VI R 3/17 bzw. 3 K 1062/16; Rev. BFH Az.: VI R 4/17) vollumfänglich an. Bei abstrakter Betrachtung begründeten die fraglichen Berechtigungsscheine zwar ein Nutzungsrecht in der Art einer Tagesnetzkarte, die anderen Kunden der Deutschen Bahn AG im streitigen Zeitraum so in der Regel nicht angeboten wurde. Zur Überzeugung des Senats bestand seitens eines durchschnittlichen Nutzers an dieser (über die konkret gewünschte Fahrt hinausgehenden) abstrakten Nutzungsmöglichkeit jedoch kein ins Gewicht fallendes eigenständiges Interesse.
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