Gewerbesteuermessbetrag: Keine Kürzung der Gewerbesteuer für Einkaufsbüro in der Türkei
FG Köln 7.5.2015, 10 K 73/13Die Klägerin betreibt eine Importvermittlung, in deren Rahmen sie das gesamte Einkaufsvolumen der C-GmbH in der Türkei vermittelt, die die einzige Auftraggeberin der Klägerin war. Hierfür erhielt die Klägerin eine Vermittlungsprovision. Für ihre Vermittlungstätigkeit unterhielt sie ein Einkaufsbüro in der Türkei. Dieses wurde von der Klägerin als Betriebsstätte im Ausland angesehen. Entsprechend ihren Erklärungen zur Gewerbesteuer wurde der Gewerbeertrag im Rahmen der ursprünglichen Bescheide auf der Grundlage von § 9 Nr. 3 GewStG gekürzt.
Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2007 kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass das Einkaufsbüro in der Türkei keine Betriebsstätte sei. Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3d DBA Türkei, das auch auf die Gewerbesteuer Anwendung finde, gelte "eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen" ausdrücklich nicht als Betriebsstätte. Infolgedessen gewährte die Finanzbehörde die Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG nicht mehr.
Die Klägerin hielt dagegen, dass für die Kürzung ausschließlich der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO heranzuziehen sei. Der Begriff der ausländischen Betriebsstätte sei ausschließlich nach deutschem Steuerrecht auszulegen. Der Betriebsstättenbegriff des jeweiligen DBA gelte nur im Verhältnis zu dem jeweiligen Staat, mit dem das Abkommen geschlossen worden sei, und könne zur Auslegung nationaler Gesetze nicht herangezogen werden.
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG waren nicht erfüllt, weil das Einkaufsbüro der Klägerin in der Türkei keine "nicht im Inland belegene Betriebsstätte" i.S.d. Vorschrift war.
Im vorliegenden Fall bestand Normenkonkurrenz zwischen § 12 S. 2 Nr. 6 AO und Art. 5 Abs. 3d DBA Türkei, die zugunsten letzterer aufzulösen war. Streitig war nicht die Begründung der Gewerbesteuerpflicht, sondern die Frage, ob die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG eingreift, die voraussetzt, dass ein Teil des Gewerbeertrags (Bemessungsgrundlage) auf eine "nicht im Inland belegene Betriebsstätte" entfällt. Insofern war es verkürzt, wenn die Klägerin sich auf Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 12 Rz. 44 (Stand: 137. Lieferung 08.2014) bezog, wo dieser zum Geltungsbereich der Definitionen von Begriffen in DBA ausführt, dass die Abkommensdefinitionen auch bei gegebenem Auslandsbezug nicht zur Auslegung nationaler Gesetze herangezogen werden könnten. Vielmehr ging es hier um die Zuordnung des Besteuerungsrechts aus einem Steuergegenstand an den einen oder den anderen Vertragsstaat, für den auch Drüen unter Hinweis auf das BFH-Urteil v. 26.2.1992 (Az.: I R 85/91) davon ausgeht, dass der Betriebsstättenbegriff für diesen Fall von dem Betriebstättenbegriff des § 12 AO abweichen kann.
Für die Vorrangigkeit der DBA-Bestimmung verweist Drüen insoweit auf die allgemeine Lex-Specialis-Regel, da die DBA infolge ihrer Transformation nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG innerstaatliches Recht geworden und als völkerrechtliche Vereinbarungen nach § 2 Abs. 1 AO außerdem vorrangig sind. Infolgedessen sind die Auswirkungen einer engeren Betriebstättendefinition auch dann zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige sich nicht auf das DBA beruft oder gar seine Nichtanwendung wünscht. Dieser Wertung schließt sich der erkennende Senat an und folgt nicht der entgegenstehenden Auffassung von Gosch in Blümich, EStG/GewStG (126. Aufl. 2015, § 9 GewStG Rz. 212).
Infolgedessen konnte die von der Klägerin begehrte Kürzung nicht vorgenommen werden, zumal sie dazu führen würde, dass die auf die Einrichtung in der Türkei entfallenden Einkünfte sonst entgegen den Wertungen des DBA und dem Willen der vertragschließenden Staaten unberücksichtigt blieben. Der Senat sieht den Zweck des DBA Türkei in der Vermeidung von Doppelbesteuerung, nicht aber in der Herbeiführung einer Nichtbesteuerung eines Steuergegenstandes; zumal die Klägerin dadurch außerdem einen ungerechtfertigten Steuervorteil gegenüber anderen inländischen Steuerpflichtigen erhielte, die mit Gewerbesteuer belastet sind.
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