Gewerbesteuerpflicht einer Immobilien-GmbH bzw. Betriebsstätte bei Einschaltung einer Dienstleistungsgesellschaft
Kurzbesprechung
BFH v. 23. 3. 2022 - III R 35/20
GewStG § 2 Abs 1 S 1, § 2 Abs 1 S 3
AO § 12 S 1, § 12 S 2 Nr. 1, § 13, § 10
Streitig war die Frage, ob die Steuerpflichtige im Streitjahr 2013 im Inland eine Betriebsstätte hatte und dementsprechend gewerbesteuerpflichtig ist.
Die Annahme einer Betriebsstätte setzt gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.
Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit aus.
Weiter muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen. Für die Annahme eines unmittelbaren "Dienens" der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt daher nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden (z.B. Vermietung/Verpachtung), begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden. Dies gilt selbst dann, wenn der Zweck des Geschäfts gerade in der Vermietung oder Verpachtung besteht. Erforderlich ist vielmehr, dass in dem vermieteten Objekt eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt.
Eine Betriebsstätte kann aber auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer dort tätig werden.
Unter Umständen kann auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft oder Betriebsführungsgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des beauftragenden Unternehmens begründet werden, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten "sachlichen und personellen Organismus" in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen; dies gilt auch für den "reinen Inlandsfall". Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird.
In Rechtsprechung und Literatur wird zwar angenommen, dass in besonderen Konstellationen durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft eine Betriebsstätte für das beauftragende Unternehmen auch dann entstehen kann, wenn das beauftragende Unternehmen selbst über keine Räumlichkeit verfügt und auch nicht über die Räumlichkeiten der beauftragten Managementgesellschaft verfügen kann. Allein die ‑‑auch umfassende‑‑ Übertragung der Aufgaben auf einen selbstständig tätigen Dritten reicht aber nicht aus, um eine Betriebsstätte in den Räumen des Dritten zu begründen. Ansonsten könnte eine Betriebsstätte bei jedem Subunternehmer begründet werden.
Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der "Auftraggeber" mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen "Apparats" in der Lage ist, seiner unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen, und dass er infolgedessen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hat. Fehlt es hingegen an der Identität der Leitungsorgane, die die erforderliche nachhaltige Überwachung oder die tatsächliche Verfügungsmacht über die Räume des Dritten ersetzt, können die Räumlichkeiten des Dritten nur dann zur Betriebsstätte des Auftraggebers werden, wenn er in diesen Räumen eigene betriebliche Handlungen vornimmt.
Eigene betriebliche Handlungen können zwar auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber die Tätigkeit des Auftragnehmers oder der Managementgesellschaft im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend und nachhaltig überwacht. Entscheidend ist nach Auffassung des BFH in einem solchen Fall jedoch, dass die fortlaufende Überwachung an dem betreffenden Ort, also in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers, erfolgt. Denn nur bei einer gewissen räumlichen und zeitlichen "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in der inländischen Betriebsstätte des Dritten kann von dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen unmittelbaren Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke gesprochen werden.
Bei fehlender Identität der Leitungsorgane und fehlender ortsbezogener Überwachung kann somit allein die Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft nicht zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers führen.
Der BFH wies den Streitfall an die Vorinstanz zurück, da das FG die Betriebsstätte lediglich mit der Möglichkeit der Überwachung vor Ort begründet hatte, ohne die tatsächliche Überwachung vor Ort festzustellen. Das FG erhält insoweit Gelegenheit, Feststellungen zu treffen, ob möglicherweise schon in dem Vermietungsobjekt eine Betriebsstätte der Steuerpflichtigen liegen kann.
Sollte sich im zweiten Rechtsgang eine inländische Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO in dem Vermietungsobjekt nicht feststellen lassen, wird das FG ferner prüfen müssen, ob die Steuerpflichtige eine inländische oder eine (ausschließlich) am Wohnsitz des geschäftsführenden Gesellschafters der Steuerpflichtigen befindliche Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) hatte.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GewStG § 2 Abs 1 S 1, § 2 Abs 1 S 3
AO § 12 S 1, § 12 S 2 Nr. 1, § 13, § 10
Streitig war die Frage, ob die Steuerpflichtige im Streitjahr 2013 im Inland eine Betriebsstätte hatte und dementsprechend gewerbesteuerpflichtig ist.
Die Annahme einer Betriebsstätte setzt gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.
Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit aus.
Weiter muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen. Für die Annahme eines unmittelbaren "Dienens" der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt daher nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden (z.B. Vermietung/Verpachtung), begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden. Dies gilt selbst dann, wenn der Zweck des Geschäfts gerade in der Vermietung oder Verpachtung besteht. Erforderlich ist vielmehr, dass in dem vermieteten Objekt eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt.
Eine Betriebsstätte kann aber auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer dort tätig werden.
Unter Umständen kann auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft oder Betriebsführungsgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des beauftragenden Unternehmens begründet werden, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten "sachlichen und personellen Organismus" in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen; dies gilt auch für den "reinen Inlandsfall". Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird.
In Rechtsprechung und Literatur wird zwar angenommen, dass in besonderen Konstellationen durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft eine Betriebsstätte für das beauftragende Unternehmen auch dann entstehen kann, wenn das beauftragende Unternehmen selbst über keine Räumlichkeit verfügt und auch nicht über die Räumlichkeiten der beauftragten Managementgesellschaft verfügen kann. Allein die ‑‑auch umfassende‑‑ Übertragung der Aufgaben auf einen selbstständig tätigen Dritten reicht aber nicht aus, um eine Betriebsstätte in den Räumen des Dritten zu begründen. Ansonsten könnte eine Betriebsstätte bei jedem Subunternehmer begründet werden.
Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der "Auftraggeber" mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen "Apparats" in der Lage ist, seiner unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen, und dass er infolgedessen Zugriff in Gestalt einer Verfügungsmacht über die fraglichen Räumlichkeiten hat. Fehlt es hingegen an der Identität der Leitungsorgane, die die erforderliche nachhaltige Überwachung oder die tatsächliche Verfügungsmacht über die Räume des Dritten ersetzt, können die Räumlichkeiten des Dritten nur dann zur Betriebsstätte des Auftraggebers werden, wenn er in diesen Räumen eigene betriebliche Handlungen vornimmt.
Eigene betriebliche Handlungen können zwar auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber die Tätigkeit des Auftragnehmers oder der Managementgesellschaft im Rahmen der betreffenden Einrichtung fortlaufend und nachhaltig überwacht. Entscheidend ist nach Auffassung des BFH in einem solchen Fall jedoch, dass die fortlaufende Überwachung an dem betreffenden Ort, also in den Räumlichkeiten des Auftragnehmers, erfolgt. Denn nur bei einer gewissen räumlichen und zeitlichen "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit in der inländischen Betriebsstätte des Dritten kann von dem für eine Betriebsstättenbegründung erforderlichen unmittelbaren Dienen der Geschäftseinrichtung oder Anlage für eigene unternehmerische Zwecke gesprochen werden.
Bei fehlender Identität der Leitungsorgane und fehlender ortsbezogener Überwachung kann somit allein die Beauftragung einer Management- oder Dienstleistungsgesellschaft nicht zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers in den Räumen des Auftragnehmers führen.
Der BFH wies den Streitfall an die Vorinstanz zurück, da das FG die Betriebsstätte lediglich mit der Möglichkeit der Überwachung vor Ort begründet hatte, ohne die tatsächliche Überwachung vor Ort festzustellen. Das FG erhält insoweit Gelegenheit, Feststellungen zu treffen, ob möglicherweise schon in dem Vermietungsobjekt eine Betriebsstätte der Steuerpflichtigen liegen kann.
Sollte sich im zweiten Rechtsgang eine inländische Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO in dem Vermietungsobjekt nicht feststellen lassen, wird das FG ferner prüfen müssen, ob die Steuerpflichtige eine inländische oder eine (ausschließlich) am Wohnsitz des geschäftsführenden Gesellschafters der Steuerpflichtigen befindliche Geschäftsleitungsbetriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) hatte.