13.10.2022

Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg bei doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften

Zu den inländischen Kapitalgesellschaften i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG gehören auch Kapitalgesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben.

Kurzbesprechung
BFH v. 28. 6. 2022 - I R 43/18
GewStG § 2 Abs 2, § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a, § 9 Nr. 7
KStG § 8b Abs 1, § 8b Abs 5
FGO § 107
AEUV Art 64 Abs 1


Streitig war die gewerbesteuerrechtliche Kürzung von Gewinnausschüttungen einer doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft.

§ 8 Nr. 5 GewStG regelt u.a. die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Gewinnanteilen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, die bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz geblieben sind (abzüglich nicht abziehbarer Aufwendungen nach § 8b Abs. 5 KStG). Allerdings ist eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ausgeschlossen, soweit die Gewinnanteile die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllen.

Im Streitfall hatte das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitigen Ausschüttungen zwar nicht von § 9 Nr. 7 GewStG, aber von § 9 Nr. 2a GewStG erfasst werden. Das FG hatte ferner festgestellt, dass die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft im streitigen Erhebungszeitraum in Deutschland lag, sie keinen aktiven Tätigkeiten i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG nachging und sie zu weniger als 15 % an einer mexikanischen Gesellschaft beteiligt war.

Auf Grundlage dieser Feststellungen hatte das FG zutreffend entschieden, dass keine der Tatbestandsalternativen des § 9 Nr. 7 GewStG vorlag. Dies gilt auch für § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbsatz 2 GewStG, der tatbestandlich erfordert, dass Sitz und Geschäftsleitung der Gesellschaft im anderen Mitgliedstaat belegen wären.

Die Entscheidung des FG, stattdessen § 9 Nr. 2a GewStG anzuwenden, hielt der BFH ebenfalls für zutreffend.

§ 9 Nr. 2a GewStG gilt u.a. für Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 2 GewStG, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sind. Die letzte Voraussetzung spielt allerdings im Rahmen des § 8 Nr. 5 GewStG keine Rolle, da es hier gerade um die Hinzurechnung von Gewinnanteilen geht, die gemäß § 8b Abs. 1 KStG außerbilanziell abgezogen worden sind.

Die Einbeziehung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften in den Anwendungsbereich des § 9 Nr. 2a GewStG ist umstritten. Während ein Teil der Literatur die Voraussetzung einer inländischen Kapitalgesellschaft zumindest bei denjenigen Gesellschaften bejaht, die ‑‑wie die Gesellschaft im Streitfall‑‑ ihren statutarischen Sitz im Ausland und ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, fordert ein anderer Teil der Literatur einen doppelten Inlandsbezug, d.h. Sitz und Ort der Geschäftsleitung müssen sich im Inland befinden.

Das FG hatte sich zu Recht der zuerst genannten Auffassung angeschlossen. Ob auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Inland und Ort der Geschäftsleitung im Ausland als inländische Kapitalgesellschaft i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG anzusehen sind, konnte im Streitfall dahingestellt bleiben.

Für die Einbeziehung solcher doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung sprechen zunächst systematische Gesichtspunkte. Die Einbeziehung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung ergibt sich aber auch aus der Systematik der gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegien. Letztlich wird die Einbeziehung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland auch durch den Verweis des § 9 Nr. 2a GewStG auf inländische Kapitalgesellschaften "im Sinne des § 2 Abs. 2" GewStG bestätigt. Denn § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG erfasst nicht nur inländische, sondern auch ausländische Rechtsformen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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