29.10.2020

Gilt für Techno- und House-Konzerte der ermäßigte Umsatzsteuersatz?

Eintrittserlöse für Techno- und House-Konzerte sind als Erlöse aus "Konzerten vergleichbare(n) Darbietungen ausübender Künstler" steuersatzermäßigt, wenn die Musikaufführungen aus der Sicht eines "Durchschnittsbesuchers" den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen. Hierbei ist auch zu beachten, dass allein die Regelmäßigkeit einer Veranstaltung kein geeignetes Kriterium für eine Abgrenzungsentscheidung ist.

BFH v. 10.6.2020 - V R 16/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR, deren Zweck vor allem in der Organisation und Veranstaltung von Musik-Events besteht. Sie führte in den Streitjahren 2007 und 2008 in mehreren Räumen ("floors") eines stillgelegten Gebäudeareals verschiedene Musikveranstaltungen durch. Hierbei wurde von DJs Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z.B. House, Electro, Rave, Trance, Black-R'n'B & Hiphop, 80ies & 90ies Video Disco, Chillout-Ibiza) dargeboten. Daneben veranstaltete sie auch Partys und Open-Air-Discos. Die Veranstaltungen begannen üblicherweise um 23 Uhr (Einlassbeginn). Der Eintritt kostete 5 € oder 6 € und war nur von Männern zu entrichten, Frauen hatten freien Zugang. Im Rahmen der Veranstaltungen wurden auch (gesondert berechnete) Getränke verkauft; der daraus erzielte Erlös überstieg die Umsätze aus dem Verkauf von Eintrittskarten erheblich.

Nachdem die Klägerin ihre Umsätze zunächst vollumfänglich dem Regelsteuersatz unterworfen hatte, reichte sie berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein und beantragte für die Umsätze aus Eintrittsgeldern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag allerdings ab. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, dass nicht die Musikaufführungen im Vordergrund der Veranstaltung stünden, sondern der Party- oder Tanzcharakter überwiege. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:
Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nicht vorliegen. Die Würdigung, wonach die musikalischen Darbietungen der DJs nicht im Vordergrund der Veranstaltung stünden und deswegen auch die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ausscheide, ist jedoch lückenhaft, da sie das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausschöpft. Insbesondere ist die Würdigung der Indizien für die Abgrenzung von einer Konzert zu einer (nicht begünstigten) Tanzveranstaltung nicht rechtsfehlerfrei erfolgt.

Hierbei ist zu beachten, dass die Regelmäßigkeit einer Veranstaltung kein geeignetes Kriterium für eine Abgrenzungsentscheidung ist; auch das Wertverhältnis der Umsätze von Eintrittskarten und Getränken kann keine ausschlaggebende Rolle spielen. Schließlich hatte das FG auch nicht dargelegt, weshalb es seiner Auffassung nach ungewiss bleibe, ob die Auftritte der jeweiligen DJs das ausschlaggebende Motiv für den "Durchschnittsbesucher" bilden, obwohl es diese Auftritte durchaus für geeignet hielt, Besucher anzuziehen, die 2,5 bis 3 Stunden dauernden Auftritte zwischen 1 und 4 Uhr stattfanden und mit dem Ende des Auftritts auch das Veranstaltungsende nahe war.

Im zweiten Rechtsgang wird das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu darüber zu befinden haben, ob die Auftritte der DJs den eigentlichen Zweck der Veranstaltung bilden und ihr somit das Gepräge geben.
BFH PM Nr. 49 vom 29.10.2020
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