19.08.2015

Gleitende Vermögensübergabe - Wann findet das neue Recht Anwendung?

Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der gleitenden Übergabe von Privatvermögen können grundsätzlich auch weiterhin als Rente oder dauernde Last abgezogen werden, wenn die Vermögensübertragung vor Januar 2008 vereinbart wurde und die Voraussetzungen von § 52 Abs. 23e S. 2 EStG i.d.F. durch das JStG 2008 nicht vorliegen. Es kommt nicht darauf an, in welchem Zeitpunkt der Nießbrauch abgelöst und die Versorgungsleistung vereinbart wurden; unerheblich ist auch, ob die Ablösung des Nießbrauchs und der Zeitpunkt bereits im Übergabevertrag verbindlich vereinbart waren.

BFH 12.5.2015, IX R 32/14
Der Sachverhalt:
Der Vater des Klägers hatte 1998 seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben und den Grundbesitz in sein Privatvermögen überführt. Im März 2007 übertrug er dann den verpachteten Grundbesitz im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf den Kläger und behielt sich und der Mutter des Klägers den Nießbrauch daran vor. Im Vertrag war für den Fall des Verzichts auf den Nießbrauch vorgesehen, dass der Kläger an den ehemaligen Nießbraucher einen monatlich wiederkehrenden Betrag zu zahlen hat, der der Höhe nach etwa den erzielbaren Netto-Pachteinnahmen des übertragenen Grundbesitzes entsprechen und als dauernde Last vereinbart werden sollte.

Im November 2010 verzichteten die Eltern des Klägers auf den Nießbrauch und vereinbarten mit ihm ein jährliches Baraltenteil von 15.000 € beginnend ab Januar 2011 mit wechselseitigen Anpassungsverpflichtungen. Im Streitjahr 2011 erzielte der Kläger aus der Verpachtung steuerbare Einkünfte von 24.603 €. Die Altenteilszahlungen leistete er vereinbarungsgemäß. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die Altenteilsleistungen als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug allerdings ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Das FG hatte im Ergebnis zu Recht erkannt, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG n.F.) vom 20.12.2007 auf die im Streitfall zu beurteilenden Versorgungsleistungen nicht anwendbar war, sondern § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der davor geltenden Fassung (EStG a.F.).

Das neue Recht, wonach Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Privatvermögen grundsätzlich nicht mehr als Sonderausgaben abgezogen werden können, war auf die im vorliegenden Fall zu beurteilende Versorgungsleistung nicht anwendbar, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für seine Anwendung nicht vorlagen. Die Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 23e EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG 2008; im Streitjahr: § 52 Abs. 23g EStG; heute: § 52 Abs. 18 S. 1 und 2 EStG) regelt die Anwendung des neuen Rechts. Nach § 52 Abs. 23e S. 1 EStG 2008 ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. auf Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31.12.2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen. Diese Voraussetzung war hier schon nicht erfüllt, weil die allein in Betracht kommende Vermögensübertragung im März 2007 vereinbart worden war.

Auf vor Januar 2008 geschlossene Übergabeverträge ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. nur dann anwendbar, wenn das übertragene Vermögen nur deshalb ausreichenden Ertrag bringt, weil ersparte Aufwendungen mit Ausnahme des Nutzungsvorteils eines zu eigenen Zwecken vom Vermögensübernehmer genutzten Grundstücks zu den Erträgen des Vermögens gerechnet werden. Auch diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des FG war die Anwendung des alten Rechts nach dem eindeutigen Wortlaut der Anwendungsvorschrift allerdings nicht davon abhängig, dass die Versorgungsleistung auf einer vor Januar 2008 vereinbarten Vermögensübertragung beruhte. Diese Annahme hat das Urteil jedoch nicht beeinflusst.

Für die Frage, ob altes oder neues Recht anwendbar ist, kommt es nicht darauf an, wann die Versorgungsleistung vereinbart wurde. Die hiervon abweichende Auffassung der Finanzverwaltung, wonach in derartigen Fällen das alte Recht nur gelten soll, wenn die Ablösung des Nießbrauchsrechts gegen Versorgungsleistungen und der Zeitpunkt bereits im Übertragungsvertrag verbindlich vereinbart waren, findet im Gesetz keine Stütze. Es bedarf keiner Entscheidung, ob sie, wäre sie Gesetz geworden, mit der Verfassung in Einklang stünde (Rückwirkung, Gleichheit, Vertrauensschutz).

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