Grobes Verschulden eines Steuerberaters bei unterlassener Geltendmachung eines Auflösungsverlustes
FG Hamburg v. 22.3.2019 - 3 K 33/18
Der Sachverhalt:
Die klagenden Eheleute wurden zumindest seit 2011 von dem Prozessbevollmächtigten, einem Steuerberater, steuerlich beraten. Im Jahr 1999 hatten der Ehemann und der Sohn der A-GmbH Darlehen gewährt, wobei die Mittel aus aufgenommenen (Refinanzierungs-)Darlehen stammten. Das Darlehen an die A-GmbH wurde weder verzinst noch getilgt. Für den Fall der Insolvenz der A-GmbH verzichtete der Ehemann (ebenso wie der Sohn) auf das Darlehen. Im Jahr 2002 wurden die Darlehen bei der A-GmbH erfolgswirksam in Eigenkapital umgewandelt.
Im Jahr 2010 wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt. Die Verfahrenseröffnung wurde 2011 auf der Internetseite www.handelsregister.de bekanntgemacht. Mit Beschluss vom 7.7.2015 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben. Die Aufhebung wurde noch 2015 auf der Internetseite www.handelsregister.de veröffentlicht und anschließend ins Handelsregister eingetragen. Die Löschung der Gesellschaft wurde 2017 ins Handelsregister eingetragen und auf der Internetseite www.handelsregister.de bekanntgemacht.
Im August 2012 hatte der Steuerberater der Eheleute dem Finanzamt mitgeteilt, dass in 2010 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt worden sei; sämtliche Stammeinlagen seien verloren. Mit einer Änderung des Verlustes sei nicht mehr zu rechnen, eine Verlustermittlung werde er nachreichen. Im Oktober 2012 reichte der Steuerberater dem Finanzamt den Beschluss des Insolvenzgerichts aus Dezember 2010 ein, ohne auf einen etwaigen Auflösungsverlust näher einzugehen bzw. diesen zu beziffern. In der im Februar 2017 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2015 erklärten die Eheleute jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Beteiligung sowie Renteneinkünfte. Einen Verlust aus der Auflösung der A-GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG machten sie nicht geltend. Entsprechende Bescheide ergingen, die nicht angefochten wurden.
Im September 2017 wies das Finanzamt im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Steuererklärung des Sohnes für 2015 den Steuerberater der Eheleute, der auch die steuerlichen Angelegenheiten des Sohnes betreute, darauf hin, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH durch Beschluss vom 7.7.2015 aufgehoben worden sei. Daraufhin beantragten die Kläger, den Einkommensteuerbescheid für 2015 durch Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG zu ändern, was das Finanzamt jedoch ablehnte, da die Tatsache, dass die Gesellschaft in 2015 aufgelöst worden sei, den Eheleuten bereits bei Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2015 im Februar 2017 bekannt gewesen sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Den Klägern steht kein Anspruch auf die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2015 zu.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung setzt die Entstehung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft (z.B. durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens), nicht aber deren Beendigung voraus. Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation ist dabei regelmäßig der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation maßgebend.
Unabhängig von der Frage, ob die Löschung im Handelsregister nach § 394 FamFG konstitutiv oder deklaratorisch ist, stand vorliegend bereits im Jahr 2015 mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nicht erst in Jahr 2017 bei Löschung der A-GmbH fest, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und dass keine sonstigen im Rahmen des § 17 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähigen Kosten mehr entstehen würden. Die Berücksichtigung des nachträglich bekanntgewordenen Auflösungsverlustes ist aber deshalb zu verneinen, weil die Eheleute bzw. hier ihrem Steuerberater ein grobes Verschulden daran traf, dass die zugrunde liegenden Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden waren.
Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Dabei hat er auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt. Einen Steuerberater trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln, wenn er bei der Erstellung der Steuererklärung die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt.
Der Steuerberater muss für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung den maßgebenden Sachverhalt ermitteln. Hat er Kenntnis von der Entstehung eines Auflösungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG, ist er gehalten, bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Status des Insolvenzverfahrens durch gezielte Nachfrage beim Mandanten zu ermitteln. Unter Anwendung dieser Grundsätze beruhte das nachträgliche Bekanntwerden der neuen Tatsache, der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, auf einem groben, den Eheleuten zuzurechnenden Verschulden ihres Steuerberaters.
Justizportal Hamburg
Die klagenden Eheleute wurden zumindest seit 2011 von dem Prozessbevollmächtigten, einem Steuerberater, steuerlich beraten. Im Jahr 1999 hatten der Ehemann und der Sohn der A-GmbH Darlehen gewährt, wobei die Mittel aus aufgenommenen (Refinanzierungs-)Darlehen stammten. Das Darlehen an die A-GmbH wurde weder verzinst noch getilgt. Für den Fall der Insolvenz der A-GmbH verzichtete der Ehemann (ebenso wie der Sohn) auf das Darlehen. Im Jahr 2002 wurden die Darlehen bei der A-GmbH erfolgswirksam in Eigenkapital umgewandelt.
Im Jahr 2010 wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt. Die Verfahrenseröffnung wurde 2011 auf der Internetseite www.handelsregister.de bekanntgemacht. Mit Beschluss vom 7.7.2015 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben. Die Aufhebung wurde noch 2015 auf der Internetseite www.handelsregister.de veröffentlicht und anschließend ins Handelsregister eingetragen. Die Löschung der Gesellschaft wurde 2017 ins Handelsregister eingetragen und auf der Internetseite www.handelsregister.de bekanntgemacht.
Im August 2012 hatte der Steuerberater der Eheleute dem Finanzamt mitgeteilt, dass in 2010 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH gestellt worden sei; sämtliche Stammeinlagen seien verloren. Mit einer Änderung des Verlustes sei nicht mehr zu rechnen, eine Verlustermittlung werde er nachreichen. Im Oktober 2012 reichte der Steuerberater dem Finanzamt den Beschluss des Insolvenzgerichts aus Dezember 2010 ein, ohne auf einen etwaigen Auflösungsverlust näher einzugehen bzw. diesen zu beziffern. In der im Februar 2017 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2015 erklärten die Eheleute jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Beteiligung sowie Renteneinkünfte. Einen Verlust aus der Auflösung der A-GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG machten sie nicht geltend. Entsprechende Bescheide ergingen, die nicht angefochten wurden.
Im September 2017 wies das Finanzamt im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Steuererklärung des Sohnes für 2015 den Steuerberater der Eheleute, der auch die steuerlichen Angelegenheiten des Sohnes betreute, darauf hin, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH durch Beschluss vom 7.7.2015 aufgehoben worden sei. Daraufhin beantragten die Kläger, den Einkommensteuerbescheid für 2015 durch Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG zu ändern, was das Finanzamt jedoch ablehnte, da die Tatsache, dass die Gesellschaft in 2015 aufgelöst worden sei, den Eheleuten bereits bei Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2015 im Februar 2017 bekannt gewesen sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Den Klägern steht kein Anspruch auf die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2015 zu.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung setzt die Entstehung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft (z.B. durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens), nicht aber deren Beendigung voraus. Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation ist dabei regelmäßig der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation maßgebend.
Unabhängig von der Frage, ob die Löschung im Handelsregister nach § 394 FamFG konstitutiv oder deklaratorisch ist, stand vorliegend bereits im Jahr 2015 mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nicht erst in Jahr 2017 bei Löschung der A-GmbH fest, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und dass keine sonstigen im Rahmen des § 17 Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähigen Kosten mehr entstehen würden. Die Berücksichtigung des nachträglich bekanntgewordenen Auflösungsverlustes ist aber deshalb zu verneinen, weil die Eheleute bzw. hier ihrem Steuerberater ein grobes Verschulden daran traf, dass die zugrunde liegenden Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden waren.
Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Dabei hat er auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt. Einen Steuerberater trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln, wenn er bei der Erstellung der Steuererklärung die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt.
Der Steuerberater muss für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung den maßgebenden Sachverhalt ermitteln. Hat er Kenntnis von der Entstehung eines Auflösungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG, ist er gehalten, bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Status des Insolvenzverfahrens durch gezielte Nachfrage beim Mandanten zu ermitteln. Unter Anwendung dieser Grundsätze beruhte das nachträgliche Bekanntwerden der neuen Tatsache, der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, auf einem groben, den Eheleuten zuzurechnenden Verschulden ihres Steuerberaters.