30.10.2019

Hinterziehung von Umsatzsteuer im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung

Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung kommt eine Einziehung des Wertes von Taterträgen i.H.d. entgegen § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG nicht angemeldeten Umsätze beim Aussteller der Scheinrechnungen nicht in Betracht, weil die unterlassene Steueranmeldung nicht dazu führt, dass sich ein Vermögensvorteil in dessen Vermögen niederschlägt. Ein gegebenenfalls abzuschöpfender Vermögensvorteil tritt nur im Vermögen desjenigen ein, der auf Grundlage von Scheinrechnungen unberechtigt Vorsteuerabzüge geltend macht.

BGH v. 5.6.2019 - 1 StR 208/19
Der Sachverhalt:
Nach den Feststellungen des LG waren die Angeklagten als sog. "Buffer" in ein groß angelegtes Umsatzsteuerhinterziehungssystem im Bereich des Handels mit Kupfer eingebunden. Das System funktionierte dergestalt, dass sich verschiedene Gesellschaften Kupferkathoden aus dem Ausland liefern ließen und über mehrere Scheinlieferketten, deren Zwischenglieder u.a. die von den Angeklagten geführten Einzelunternehmen waren, eine Scheinrechnungslage geschaffen wurde, um die tatsächlichen Lieferbeziehungen zu verschleiern und den Empfängern der Lieferungen die Möglichkeit zu geben, die in den ihnen gestellten Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer unberechtigt als Vorsteuer geltend zu machen. Innerhalb des Hinterziehungssystems kam den Angeklagten die Aufgabe zu, für ihre einzelkaufmännischen Unternehmen, die keine reale Geschäftstätigkeit am Markt entfalteten, Scheinrechnungen entgegenzunehmen und Scheinrechnungen über angebliche Kupferlieferungen unter Ausweis von Umsatzsteuer an andere in die Kette eingebundene Unternehmen zu stellen.

Die Angeklagte G ließ für die Monate Januar bis September 2013 über ihren Steuerberater Umsatzsteuervoranmeldungen beim zuständigen Finanzamt einreichen und dabei die in den jeweiligen Voranmeldezeiträumen an ihr Unternehmen gestellten Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer (insgesamt knapp 12 Mio. €) als Vorsteuer geltend machen. In gleicher Weise verfuhr der Angeklagte D, der über seinen Steuerberater Umsatzsteuer voranmeldungen für die Monate September 2012 bis Januar 2013 sowie für das erste, das zweite und das dritte Quartal 2014 beim zuständigen Finanzamt einreichen und hierbei die in den jeweiligen Voranmeldezeiträumen an sein Unternehmen gestellten Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen ließ (insgesamt rund 27,6 Mio. €).

Dies hatte, wie von den beiden Angeklagten beabsichtigt, eine um die Höhe der jeweils geltend gemachten Vorsteuerabzüge zu niedrige Festsetzung der Umsatzsteuer zur Folge, wodurch sich ein Gesamtverkürzungsbetrag in der jeweils genannten Höhe ergab. Im vierten Quartal 2014 schrieb der Angeklagte D Scheinrechnungen über Nettobeträge von rund 25,8 Mio. € unter Ausweis von Umsatzsteuer i.H.v. 4,9 Mio. €. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das vierte Quartal 2014 gab der Angeklagte zum Fälligkeitszeitpunkt nicht ab und bewirkte hierdurch, wie er wusste, dass die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für diesen Zeitraum um 4,9 Mio. € zu niedrig ausfiel. Hinsichtlich der Summe der in den unrichtigen Steuererklärungen zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge hat das LG jeweils bei den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet (bei G insgesamt 11,9 Mio. € und bei D 32,5 Mio. €).

Davon abgesehen hat das LG die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen verurteilt und gegen die Angeklagte G eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und gegen den Angeklagten D eine solche von vier Jahren und fünf Monaten verhängt. Die Revisionen blieben vor dem BGH weitestgehend ohne Erfolg.

Gründe:
Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten D hielt rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit hinsichtlich des aufgrund der unterbliebenen Umsatzsteuervoranmeldung für das vierte Quartal 2014 nicht angemeldeten und festgesetzten Umsatzsteuerbetrages von 4,9 Mio. € die Einziehung angeordnet worden war.

Nach § 73 Abs. 1 StGB ist zwingend einzuziehen, was der Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat erlangt hat. Ist die Einziehung des erlangten Gegenstandes nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht. "Durch" die Tat erlangt i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist. Der Einziehung unterliegen dabei auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen.

Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer "erlangtes Etwas" i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart. Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Offene Steuerschulden begründen somit nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Steuervorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

Der Angeklagte D. hatte somit durch das Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung für das vierte Quartal 2014 keinen Vorteil in Form ersparter Aufwendungen i.H.d. für das vierte Quartal 2014 nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG entstandenen, aber mangels Voranmeldung nicht festgesetzten Umsatzsteuerbetrags erlangt. Die durch die unterbliebene Steueranmeldung eingetretene Steuerersparnis hatte sich nicht als Vermögensvorteil im Vermögen des Angeklagten niedergeschlagen, weil der geschuldeten Umsatzsteuer gerade keine Umsätze aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), sondern bloße Scheingeschäfte zugrunde lagen.

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das LG weder die aufgrund der Rechnungen nach § 14c UStG erklärten Ausgangsumsätze, noch die etwa für die jeweiligen Besteuerungszeiträume von den Angeklagten gezahlte Umsatzsteuer als Aufwendungen nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Begehung oder Vorbereitung der Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vom Wert des durch die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) Erlangten in Abzug gebracht hat. Bei der Anmeldung der sich aus den Scheinrechnungen ergebenden Ausgangsumsätze handelt es sich schon nicht um Aufwendungen, weil die Angeklagten damit ihre aus § 14c UStG folgenden Pflichten erfüllt hatten. Die Umsatzsteuerzahlungen sind keine Aufwendungen für die der Einziehung jeweils zugrundeliegenden Taten, die allein in der Abgabe der unrichtig angemeldeten Vorsteuern liegen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 14c Abs. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), weil deren Begehung von der möglichen (späteren) Zahlung der angemeldeten Umsatzsteuerbeträge unabhängig ist.

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