15.04.2019

Im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuer ist keine Masseverbindlichkeit

Das Finanzamt darf die während des vorläufigen Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuer nicht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen. Der Gesetzgeber hat durch die Einräumung der Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung das Ziel verfolgt, Schuldnern den Zugang zu diesem Verfahren zu erleichtern und durch Erhaltung ihrer Verfügungsbefugnisse das Vertrauen ihrer Geschäftspartner zu sichern.

FG Münster v. 12.3.2019 - 15 K 1535/18 U
Der Sachverhalt:
Der Kläger war zum vorläufigen Sachwalter über das Vermögen einer GmbH bestellt worden, nachdem diese die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde er zum Insolvenzverwalter bestellt. Kurz darauf hatte er im vorläufigen Insolvenzverfahren von der GmbH geleistete Umsatzsteuerzahlungen angefochten, was zu einer Erstattung der Beträge führte. Diese Beträge setzte das Finanzamt gegenüber dem Kläger als Masseverbindlichkeit fest, meldete sie aber zugleich als Insolvenzforderung an.

Der Kläger wandte sich gegen die Festsetzung mit der Begründung, dass es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handele. Das FG gab der Klage vollumfänglich statt. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hätte die im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandenen Umsatzsteuern nicht als Masseverbindlichkeiten gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festsetzen dürfen, da es sich lediglich um Insolvenzforderungen handelte. Durch die erfolgreiche Insolvenzanfechtung lebt die ursprünglich erloschene Steuerforderung zwar wieder auf; sie kann jedoch nicht als Masseverbindlichkeit qualifiziert werden.

Zunächst einmal ist nicht davon auszugehen, dass im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründet werden können, da ansonsten die Insolvenzmasse zulasten aller Gläubiger aufgezehrt werden würde. Es handelt sich auch nicht um eine von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung begründete Verbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 2 bzw. Abs. 4 InsO, weil bei der vorläufigen Eigenverwaltung gerade kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Diese Vorschriften sind auch nicht analog anzuwenden, weil einem vorläufigen Sachwalter - im Gegensatz zum vorläufigen Insolvenzverwalter - keine insolvenzspezifischen Befugnisse zugewiesen sind und der Gesetzgeber diese unterschiedliche Rechtsstellung bewusst eingeführt hat.

Aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG folgt zudem kein Gebot, den vorläufigen Sachwalter mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter gleichzustellen. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Einräumung der Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung das Ziel verfolgt, Schuldnern den Zugang zu diesem Verfahren zu erleichtern und durch Erhaltung ihrer Verfügungsbefugnisse das Vertrauen ihrer Geschäftspartner zu sichern. Auch das Unionsrecht gebietet keine derartige Gleichstellung. Denn weil die vorläufige Eigenverwaltung von einer Entscheidung des Insolvenzgerichts abhängt, handelt es sich nicht um eine für eine europarechtswidrige Beihilfe erforderliche selektive Vorteilsgewährung. Ein Wettbewerbsvorteil ergibt sich ebenfalls nicht, da die Umsatzsteuer unabhängig davon einen durchlaufenden Posten darstellt, ob sie als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung qualifiziert wird.

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