Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners durch Duldungsbescheid bei noch unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzungen
FG Münster v. 9.11.2018 - 14 K 933/16 AODie Klägerin ist die Schwester des A. Dieser war alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter einer 2002 gegründeten GmbH, die Internethandel mit Waren aller Art betrieb. Ihre Geschäfte wickelte die GmbH über ein Konto der Klägerin bei der Kreissparkasse ab. Aufgrund von Steuerschulden der GmbH i.H.v. rund 35.988 € teilte das Finanzamt der Klägerin mit, dass auf ihrem Konto bei der Kreisparkasse Zahlungen zu Gunsten der GmbH i.H.v. 67.219 € eingegangen seien, und es daher prüfe, ob gegen sie ein Duldungsbescheid zu erlassen sei. Von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme machte die Klägerin keinen Gebrauch.
Mit Duldungsbescheid vom 26.6.2014 focht das Finanzamt wegen Steuerverbindlichkeiten der GmbH von ihm im Einzelnen aufgelistete Einzahlungen, die zwischen Januar 2010 und Oktober 2011 dem Konto der Klägerin bei der Kreissparkasse gutgeschrieben worden waren, mit denen jedoch Forderungen der GmbH beglichen werden sollten, gem. § 3 Abs. 1 AnfG an. Obwohl die Verbindlichkeiten der GmbH, derentwegen er die Anfechtung erklärte, im Wesentlichen aus Steuerfestsetzungen resultierten, die noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, nahm das Finanzamt in dem Bescheid eine dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung nicht auf, sondern forderte die Klägerin vielmehr auf, an ihn zwecks Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen bis zum 31.7.2014 einen Betrag in Höhe der Steuerverbindlichkeiten der GmbH, mithin zu zahlen.
Hiergegen wehrte sich die Klägerin und führte aus, sie habe das Konto bei der Kreissparkasse seinerzeit auf Bitten ihres Bruders eröffnet, weil mehrere Banken ihm wegen erheblicher finanzieller Schwierigkeiten die Einrichtung eines eigenen Kontos verweigert hätten. Es habe sich jedoch um ein Privatkonto ihres Bruders handeln sollen. Davon, dass über dieses Konto "geschäftliche Aktivitäten abgewickelt werden sollten", habe sie keine Kenntnis gehabt, zumal sie sämtliche das Konto betreffende Mitteilungen der Kreissparkasse ungeöffnet an ihren Bruder weitergeleitet habe. Von Schwierigkeiten ihres Bruders mit dem Finanzamt habe sie zunächst ebenfalls keine Kenntnis gehabt.
Das FG gab der gegen den Duldungsbescheid gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Duldungsbescheid ist vor dem Hintergrund, dass der Beklagte weder von Anfang an in seinen Duldungsbescheid eine dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung aufgenommen hatte noch eine solche Bedingung mit seiner Einspruchsentscheidung in diesen Bescheid nachträglich eingefügt hat, formell rechtswidrig.
§ 14 AnfG ist nach BFH-Rechtsprechung nicht nur in den Fällen zu beachten, in denen eine Finanzbehörde versucht, ihren Anfechtungsanspruch auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen, sondern darf auch in den Fällen nicht außer Acht gelassen werden, in denen eine Finanzbehörde von der Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Rechte aus dem AnfG mit Hilfe eines Duldungsbescheids Gebrauch macht und sich dabei auf Forderungen stützt, die aus noch nicht formell bestandskräftigen oder aus noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheiden bzw. Steuerfestsetzungen resultieren. In derartigen Fällen ist dementsprechend in den Duldungsbescheid, der erlassen werden soll, eine dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung aufzunehmen (vgl. BFH-Urt. v. 9.2.1988, Az.: VII R 62/86).
Somit hätte auch das Finanzamt vor dem Hintergrund, dass die Forderungen, auf die es seinen Anfechtungsanspruch stützt, - nach Aktenlage - zum weitaus überwiegenden Teil aus Steuerbescheiden bzw. Steuerfestsetzungen resultierten, die bei Erlass des Duldungsbescheids als auch der Einspruchsentscheidung (noch) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden haben, einen dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechende Bedingung in seinen Duldungsbescheid aufnehmen, spätestens jedoch mit seiner Einspruchsentscheidung in diesen einfügen müssen. Dies hat es jedoch nicht getan.
Die Aufnahme einer dem Vorbehalt des § 14 AnfG entsprechenden Bedingung war auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die GmbH im Verlauf des Einspruchsverfahrens aus dem Handelsregister gelöscht wurde, ausnahmsweise entbehrlich. Denn eine solche Löschung ist schon nach dem Inhalt des § 164 AO kein Tatbestand, der einen angeordneten Vorbehalt der Nachprüfung unwirksam werden lässt bzw. dessen Entfallen bewirkt.
Das Finanzamt konnte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Löschung der GmbH habe bewirkt, dass bei Erlass der Einspruchsentscheidung sämtliche gegenüber der GmbH bestehenden Vorbehaltsfestsetzungen faktisch nicht mehr änderbar gewesen seien, da aufgrund der Vermögenslosigkeit mit einer Nachtragsliquidation nicht zu rechnen gewesen sei. Denn zum einen ist bereits erheblich zweifelhaft, ob eine Steuerfestsetzung als faktisch nicht mehr änderbar angesehen werden kann, wenn sie rechtlich noch änderbar ist. Zum anderen kann von einer faktischen Unabänderbarkeit der gegenüber der GmbH bestehenden Vorbehaltsfestsetzungen allein wegen deren Vermögenslosigkeit aber auch ohnehin keine Rede sein. Nach BFH-Rechtsprechung (Beschl. v. 12.1.1995, Az.: VIII B 43/94), der der Senat folgt, kommt nämlich der Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu mit der Folge, dass eine GmbH solange als fortbestehend anzusehen ist, wie steuerrechtliche Abwicklungsmaßnahmen notwendig werden, und zwar auch solche, die ein zu verteilendes Vermögen nicht voraussetzen, wie z.B. die Entgegennahme von Steuerbescheiden für die gelöschte GmbH.
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