Innergemeinschaftliche Lieferungen: Zur erforderlichen Angabe des Bestimmungsorts in der für die Lieferung ausgestellten Rechnung
BFH 10.8.2016, V R 45/15Die Klägerin ist Organträger einer Organ-GmbH, die in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Vermittlung des P Kaufverträge mit den in Spanien und der Tschechischen Republik ansässigen Firmen C, M und PA für die Durchführung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen abgeschlossen hatte. Bei diesen Firmen handelte es sich um Scheinunternehmen, deren Existenz und Unternehmereigenschaft P fingiert hatte, um Pkw ohne Umsatzsteuerbelastung erwerben zu können.
Neben den Rechnungen an die Firmen C, M und PA lagen der GmbH Verbringungserklärungen vor, die der GmbH bei der jeweiligen Abholung übergeben worden waren und in denen als Bestimmungsort Spanien oder Tschechien angegeben war. Die Klägerin zeichnete gem. § 17c Abs. 1 UStDV die diesen Firmen erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern auf. Der Transport der Pkw in das übrige Gemeinschaftsgebiet erfolgte nach der Abholung bei der GmbH durch Sammeltransporte aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet.
Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung bei P ging das Finanzamt davon aus, dass die Lieferungen aufgrund der für die Firmen C, M und PA abgeschlossenen Kaufverträge steuerpflichtig seien und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide. Ein Einspruch hiergegen hatte nur insoweit Erfolg, als die von der GmbH vereinnahmten Kaufpreise als Gegenleistung behandelt wurden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Lieferungen nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind.
Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, so dass es an der gem. § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt. Die Klägerin kann die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises gem. § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch nehmen. Es fehlt sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis. Es liegen im Streitfall Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die Pkw im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbständiger Dritter versendet wurden.
Versendungsbelege liegen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt wäre (§ 17a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UStDV a.F.). Der Unternehmer soll gem. § 17a Abs. 2 UStDV a.F. in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen "durch das Doppel der Rechnung, durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".
Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung dieses Belegnachweises ergibt sich aus Art. 131 MwStSystRL. Danach wird die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen". Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb nicht verzichtbar.
Vorliegend reicht die Nennung eines Bestimmungslandes in den Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts nicht aus. Der Bestimmungsort ergibt sich auch nicht aus den für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen. Zwar kann sich aus der Rechnungsanschrift im Einzelfall der belegmäßig nachzuweisende Bestimmungsort ergeben. Dies setzt aber voraus, dass von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist. Dies trifft auf Abrechnungen gegenüber Scheinunternehmen nicht zu. Der Buchnachweis ist widerlegt.
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