14.02.2014

Irreführende Rechtsbehelfsbelehrungen der Familienkassen setzen Einspruchsfristen nicht in Gang

Eine von den Familienkassen vielfach verwendete Rechtsbehelfsbelehrung ist irreführend und setzt deshalb die Einspruchsfrist von einem Monat nicht in Gang. Ein Einspruch kann in einem solchen Fall innerhalb einer Frist von einem Jahr seit Bekanntgabe des Bescheides eingelegt werden.

FG Münster 9.1.2014, 3 K 742/13 Kg, AO u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger erhielt für seinen Sohn Kindergeld, so auch für den Zeitraum November 2008 bis Dezember 2010. Im August 2007 hatte der Sohn eine Ausbildung als Elektroniker begonnen. Im März 2011 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum November 2008 bis Dezember 2010 auf, da der Kläger trotz Aufforderung keinen Nachweis über das Ende der Ausbildung oder über eine daran anschließende Ausbildung vorgelegt habe. Sie forderte vom Kläger das Kindergeld i.H.v. 5.484 € zurück.

Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Kläger darauf hinwies, dass er binnen eines Monats Einspruch gegen den Bescheid einlegen kann. Angefügt war zudem folgender Hinweis: "Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Familienkasse. Bei Fragen zur Rückzahlung wenden Sie sich bitte unverzüglich an das regionale Forderungsmanagement ...".

Der Kläger meldete sich erst im August 2011 bei der Familienkasse, nachdem er eine Mahnung erhalten hatte. Die Familienkasse war der Ansicht, der Einspruch des Klägers sei verspätet und damit unzulässig. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Die Gründe:
Die Rechtsbehelfsbelehrung der Familienkasse war irreführend und der Bescheid infolgedessen aufzuheben.

Die ergänzenden Hinweise in unmittelbarem Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung führten zur Mehrdeutigkeit der Belehrung selbst. Hierdurch wurde die Möglichkeit des Klägers, den Inhalt der Belehrung richtig zu verstehen und rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist Einspruch einzulegen, beeinträchtigt. Schließlich verkehrte die Ergänzung die zuvor erteilte Rechtsbehelfsbelehrung in ihr Gegenteil. Die Belehrung war mithin fehlerhaft und der Einspruch gem. § 356 Abs. 2 AO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Bescheides zulässig.

Hintergrund:
Auch eine weitere Entscheidung des 3. Senates vom gleichen Tag (Az.: 3 K 3794/13 Kg) betraf die Rechte der Kindergeldberechtigten. Der Senat stellte in diesem Fall klar, dass die Familienkasse vor einer Entscheidung über einen Einspruch, den sie wegen Verspätung für unzulässig hält, rechtliches Gehör gewähren muss. Schließlich muss dem Betroffenen die Möglichkeit geben werden, die Fristberechnung zu überprüfen bzw. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.

In Fällen, in denen die Familienkassen - wie im Streitfall - den aus ihrer Sicht verspäteten Einspruch ohne vorherige Anhörung als unzulässig verwerfen, verstoßen sie gegen den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und führt zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung.

Linkhinweis:

  • Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
  • Um direkt zu dem Volltext von Az.: 3 K 742/13 Kg, AO zu kommen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zu dem Volltext von Az.: 3 K 3794/13 Kg zu kommen, klicken Sie bitte hier.
FG Münster online
Zurück