Islamische Religionsgemeinschaften können gemeinnützig sein
FG Baden-Württemberg 5.3.2018, 10 K 3622/18Der Kläger ist seiner Vereinssatzung entsprechend eine islamische Religionsgemeinschaft, die unmittelbar und mittelbar durch ihre Mitglieder der umfassenden Glaubensverwirklichung dient. Er widmet sich der Pflege, Vermittlung und Ausübung der islamischen Religion im Rahmen des GG und der Pflege des interkulturellen und interreligiösen Dialogs. Jede Person muslimischen Glaubens kann Mitglied werden. Auf seiner Internetseite distanziert sich der Kläger von Personen, die zu Gewalt, Extremismus und Fremdfeindlichkeit aufrufen.
Die Aktivitäten des Klägers bestehen insbesondere in der Durchführung und Organisation des wöchentlichen Freitagsgebets und des Fastenmonats Ramadan, er stellt Infostände zum Islam in der Fußgängerzone, unterstützt Gemeindemitglieder, repariert Gebetsräume, betätigt sich in der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge und erteilt Arabischunterricht. Der Kläger nimmt an interreligiösen Dialogen der Stadt und am Erfahrungsaustausch zwischen Landratsamt, Polizeipräsidium, Stadt und muslimischen Gemeinden teil. Er beteiligt sich aktiv an den internationalen Wochen gegen Rassismus. Der Verein ist nicht im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt.
Das Finanzamt erteilte zunächst eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit mit Widerrufsvorbehalt. Nachdem in der Moschee des Klägers ein Theologe, dem die Einreise nach Deutschland verboten gewesen war, einen Vortrag gehalten hat, widerrief das Finanzamt die Anerkennung der Gemeinnützigkeit.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Das FG verpflichtete das Finanzamt die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen gesondert festzustellen. Grundlage der Feststellung ist die Satzung des Klägers. Diese erfüllt die abgabenrechtlichen Anforderungen. Danach verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Er fördert die Allgemeinheit, auch wenn nur Personen muslimischen Glaubens Mitglieder werden können. Dies ist bei einer muslimischen Religionsgemeinschaft sachlich gerechtfertigt. Religion ist nicht auf christliche Religionsrichtungen beschränkt.
Auf die tatsächliche Geschäftsführung kommt es bei einer Grundlagenfeststellung nicht an. Die Tatsachenermittlung bleibt dem Veranlagungsverfahren vorbehalten. Im Übrigen gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegen die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit verstoßen hat. Er wird nicht in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch eingestuft. Mehrstufige Verlinkungen von seiner Homepage auf Literatur zum Islam sind nicht geeignet, von verfassungsfeindlichen Aktivitäten des Klägers selbst auszugehen.
Dies gilt auch für die Rede des Theologen. Nach den Videoaufzeichnungen und der Zeugenaussage ging es dabei um ein vorbildliches Leben in einem nicht muslimischen Umfeld. Ein einmaliger Auftritt eines ggf. salafistischen Predigers reicht jedenfalls nicht aus an der Verfassungstreue des Klägers zu zweifeln. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn es regelmäßig zu Auftritten umstrittener Persönlichkeiten kommen würde, konnte vorliegend offenbleiben. Im Übrigen war zu berücksichtigen, dass sich der Kläger im interreligiösen Dialog engagiert.