Ist die Steuerfreiheit nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG mit der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar?
Hessisches FG v. 21.8.2020 - 4 K 2079/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine in Luxemburg ansässige Société d"Investissiment á Capital Variable (SICAV) in der Rechtsform einer Société Anonyme (S.A.). Sie hielt Aktien deutscher Unternehmen und bezog, ohne über eine Niederlassung in Deutschland zu verfügen, in den Streitjahren 2009 bis 2013 Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften, auf die - unter Berücksichtigung des auf das DBA-Luxemburg gestützten und von der Depotbank der Klägerin durchgeführten Erstattungsverfahrens - im Ergebnis 15 % Kapitalertragsteuer entfielen.
Die Klägerin beantragte die Erstattung dieser Kapitalertragsteuern. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass § 11 InvStG in europarechtswidriger Weise nur inländische Investmentfonds steuerfrei stelle. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. I R 1/20 anhängig.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein (Kapitalertragsteuer-)Erstattungsanspruch zu. Sie fällt als ausländischer Investmentfonds nicht unter die nationale nur für inländische Investmentfonds geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG.
Die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Investmentfonds stellt dabei keinen Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit dar. Zwar liegt eine Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investmentfonds durch die Regelung des § 11 Abs. 1 InvStG vor, doch ist diese durch Kohärenz und die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt.
Kohärenz setzt dabei den Ausgleich von Vor- und Nachteilen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des Anteilseigners voraus, wobei der Ausgleich weder mathematisch zu verstehen ist noch in derselben Person eintreten muss. Aufgrund des bei der inländischen Fondsbesteuerung geltenden Transparenzprinzips besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Besteuerung des Investmentfonds und des Anteilseigners, so dass bei der Vergleichsbetrachtung der Steuerbelastung die Besteuerung des Anteilseigners mit einzubeziehen ist.
Unter Berücksichtigung der Besteuerung des Anteilseigners wird im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durch die nationale Befreiungsvorschrift eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gewahrt. Die Einheit von Fonds und Anteilsinhaber wird unter Einbeziehung der Anrechnungsvorschriften im Ergebnis nur einmal belastet. Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung ist dabei nicht nur eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds, sondern auch eine Unterscheidung danach vorzunehmen, ob es sich beim Anteilsinhaber um einen Steuerinländer oder einen Steuerausländer handelt und ob er an einem inländischen oder ausländischen Investmentfonds beteiligt ist.
Eine verbleibende Ungleichbehandlung bei der Steueranrechnung ist entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vorrangig durch eine europarechtskonforme Auslegung, hier des § 4 Abs. 2 InvStG, auszugleichen. Die Regelung ist nach Auffassung des Senats auch vor dem Hintergrund der neueren EuGH-Rechtsprechung europarechtskonform.
Hessisches FG PM vom 4.3.2020
Die Klägerin ist eine in Luxemburg ansässige Société d"Investissiment á Capital Variable (SICAV) in der Rechtsform einer Société Anonyme (S.A.). Sie hielt Aktien deutscher Unternehmen und bezog, ohne über eine Niederlassung in Deutschland zu verfügen, in den Streitjahren 2009 bis 2013 Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften, auf die - unter Berücksichtigung des auf das DBA-Luxemburg gestützten und von der Depotbank der Klägerin durchgeführten Erstattungsverfahrens - im Ergebnis 15 % Kapitalertragsteuer entfielen.
Die Klägerin beantragte die Erstattung dieser Kapitalertragsteuern. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass § 11 InvStG in europarechtswidriger Weise nur inländische Investmentfonds steuerfrei stelle. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. I R 1/20 anhängig.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein (Kapitalertragsteuer-)Erstattungsanspruch zu. Sie fällt als ausländischer Investmentfonds nicht unter die nationale nur für inländische Investmentfonds geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG.
Die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Investmentfonds stellt dabei keinen Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit dar. Zwar liegt eine Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investmentfonds durch die Regelung des § 11 Abs. 1 InvStG vor, doch ist diese durch Kohärenz und die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt.
Kohärenz setzt dabei den Ausgleich von Vor- und Nachteilen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des Anteilseigners voraus, wobei der Ausgleich weder mathematisch zu verstehen ist noch in derselben Person eintreten muss. Aufgrund des bei der inländischen Fondsbesteuerung geltenden Transparenzprinzips besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Besteuerung des Investmentfonds und des Anteilseigners, so dass bei der Vergleichsbetrachtung der Steuerbelastung die Besteuerung des Anteilseigners mit einzubeziehen ist.
Unter Berücksichtigung der Besteuerung des Anteilseigners wird im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durch die nationale Befreiungsvorschrift eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gewahrt. Die Einheit von Fonds und Anteilsinhaber wird unter Einbeziehung der Anrechnungsvorschriften im Ergebnis nur einmal belastet. Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung ist dabei nicht nur eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds, sondern auch eine Unterscheidung danach vorzunehmen, ob es sich beim Anteilsinhaber um einen Steuerinländer oder einen Steuerausländer handelt und ob er an einem inländischen oder ausländischen Investmentfonds beteiligt ist.
Eine verbleibende Ungleichbehandlung bei der Steueranrechnung ist entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vorrangig durch eine europarechtskonforme Auslegung, hier des § 4 Abs. 2 InvStG, auszugleichen. Die Regelung ist nach Auffassung des Senats auch vor dem Hintergrund der neueren EuGH-Rechtsprechung europarechtskonform.