Ist eine an den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld angelehnte Zahlung an Selbstständige steuerfrei?
FG Köln v. 12.9.2019 - 15 K 1378/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit 2005 bei den beiden Rundfunkanstalten E und X in einem arbeitsrechtlich als sog. "arbeitnehmerähnliche Person" eingestuften Beschäftigungsverhältnis tätig. Im Streitjahr 2014 erzielte sie bei beiden Rundfunkanstalten einerseits geringfügige - hier nicht im Streit stehende - nach Steuerklasse VI lohnversteuerte Einkünfte. Einen "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld" weisen die Lohnsteuerbescheinigungen nicht aus und ein solcher Zuschuss wurde im Rahmen des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auch nicht gezahlt. Andererseits erzielte die Klägerin überwiegend bei beiden Rundfunkanstalten Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG.
Nach der Geburt ihrer Tochter im März 2014 erhielt die Klägerin aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen vom E anlässlich der Geburt 10.159 € und vom X 5.704 €. Eine Bescheinigung des E führt aus, dass es sich um einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld handele und nicht um ein Honorar für Urheberleistungen. Rechtsgrundlage der Zahlung sei der Tarifvertrag über Zahlungen bei Schwangerschaft.
Der X führte in einer Bestätigung aus, es handele sich um eine Zuschusszahlung zu Leistungen der Krankenversicherung für die Dauer von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt. Der Anspruch ergebe sich aus dem Tarifvertrag. Umsatzsteuerlich werde er als "echter Zuschuss" gewertet.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2012 erklärte die Klägerin einen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 37.009 € ohne Berücksichtigung der vorgenannten Zahlungen. Das Finanzamt erfasste hingegen die vorgenannten Zahlungen zur Geburt bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit. Die Klägerin war der Ansicht, bei den Zahlungen handele es sich um nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfreie Zahlungen, die nur einem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG unterlägen.
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: VIII R 39/19 anhängig.
Die Gründe:
Die Zahlungen sind nicht nach § 3 Nr. 1 EStG steuerfrei.
Durch die ausdrückliche Nennung des "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz" macht der gesetzliche Wortlaut deutlich, dass nur Zuschüsse auf Rechtsgrundlage des Gesetzes begünstigt sind. Das MuSchG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung erfasste in seinem Geltungsbereich (§ 1 MuSchG) keine arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisse. Die seit dem 1.1.2018 geltende Neufassung erfasst gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG nunmehr auch Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sind, jedoch mit der Maßgabe, dass die §§ 18, 19 Abs. 2 und 20 MuSchG auf sie nicht anzuwenden sind. Der nunmehr in § 20 MuSchG geregelte Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld gilt daher ausdrücklich nicht für arbeitnehmerähnliche Personen.
Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin - was zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist - ein Zuschuss auf tarifvertraglicher und nicht auf gesetzlicher Grundlage gewährt. Nach dem vorgenannten Wortlaut und der Verweisungssystematik in § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG auf das MuSchG ist eine solche Zahlung nicht von der Steuerfreiheit erfasst. Soweit sich die Klägerseite unter Verweis auf eine teleologische, historische oder verfassungskonforme Auslegung auf eine Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen Personen in die Steuerbefreiung beruft, ist dem nicht zu folgen. Denn bei einer Auslegung bildet der Wortlaut und (mögliche) Wortsinn des Gesetzes die Grenze der Auslegung (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rn. 340 ff., Stand Mai 2015). Diese Wortlaut- und Wortsinngrenze würde hier überschritten, wenn man Zahlungen außerhalb des MuSchG bei der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG einbeziehen würde.
Unabhängig davon kann der Senat auch der Argumentation der Klägerseite in der Sache nicht folgen. Denn es ist bereits nicht überzeugend, aus Rechtsentwicklungen in anderen Bereichen (hier: MuSchG) auf einen gesetzgeberischen Willen des "Steuergesetzgebers" bei einem gleichzeitig unveränderten Steuergesetz zu schließen. Es kommt auch keine Steuerfreiheit in entsprechender Anwendung (durch eine Analogie, teleologische Extension o.ä.) in Betracht. Der Senat ist schließlich nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt und erachtet deshalb eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG für nicht geboten.
FG Köln online
Die Klägerin ist seit 2005 bei den beiden Rundfunkanstalten E und X in einem arbeitsrechtlich als sog. "arbeitnehmerähnliche Person" eingestuften Beschäftigungsverhältnis tätig. Im Streitjahr 2014 erzielte sie bei beiden Rundfunkanstalten einerseits geringfügige - hier nicht im Streit stehende - nach Steuerklasse VI lohnversteuerte Einkünfte. Einen "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld" weisen die Lohnsteuerbescheinigungen nicht aus und ein solcher Zuschuss wurde im Rahmen des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auch nicht gezahlt. Andererseits erzielte die Klägerin überwiegend bei beiden Rundfunkanstalten Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG.
Nach der Geburt ihrer Tochter im März 2014 erhielt die Klägerin aufgrund von tarifvertraglichen Regelungen vom E anlässlich der Geburt 10.159 € und vom X 5.704 €. Eine Bescheinigung des E führt aus, dass es sich um einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld handele und nicht um ein Honorar für Urheberleistungen. Rechtsgrundlage der Zahlung sei der Tarifvertrag über Zahlungen bei Schwangerschaft.
Der X führte in einer Bestätigung aus, es handele sich um eine Zuschusszahlung zu Leistungen der Krankenversicherung für die Dauer von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt. Der Anspruch ergebe sich aus dem Tarifvertrag. Umsatzsteuerlich werde er als "echter Zuschuss" gewertet.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2012 erklärte die Klägerin einen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 37.009 € ohne Berücksichtigung der vorgenannten Zahlungen. Das Finanzamt erfasste hingegen die vorgenannten Zahlungen zur Geburt bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit. Die Klägerin war der Ansicht, bei den Zahlungen handele es sich um nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfreie Zahlungen, die nur einem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG unterlägen.
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: VIII R 39/19 anhängig.
Die Gründe:
Die Zahlungen sind nicht nach § 3 Nr. 1 EStG steuerfrei.
Durch die ausdrückliche Nennung des "Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz" macht der gesetzliche Wortlaut deutlich, dass nur Zuschüsse auf Rechtsgrundlage des Gesetzes begünstigt sind. Das MuSchG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung erfasste in seinem Geltungsbereich (§ 1 MuSchG) keine arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisse. Die seit dem 1.1.2018 geltende Neufassung erfasst gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG nunmehr auch Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sind, jedoch mit der Maßgabe, dass die §§ 18, 19 Abs. 2 und 20 MuSchG auf sie nicht anzuwenden sind. Der nunmehr in § 20 MuSchG geregelte Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld gilt daher ausdrücklich nicht für arbeitnehmerähnliche Personen.
Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin - was zwischen den Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht unstreitig ist - ein Zuschuss auf tarifvertraglicher und nicht auf gesetzlicher Grundlage gewährt. Nach dem vorgenannten Wortlaut und der Verweisungssystematik in § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG auf das MuSchG ist eine solche Zahlung nicht von der Steuerfreiheit erfasst. Soweit sich die Klägerseite unter Verweis auf eine teleologische, historische oder verfassungskonforme Auslegung auf eine Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen Personen in die Steuerbefreiung beruft, ist dem nicht zu folgen. Denn bei einer Auslegung bildet der Wortlaut und (mögliche) Wortsinn des Gesetzes die Grenze der Auslegung (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rn. 340 ff., Stand Mai 2015). Diese Wortlaut- und Wortsinngrenze würde hier überschritten, wenn man Zahlungen außerhalb des MuSchG bei der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG einbeziehen würde.
Unabhängig davon kann der Senat auch der Argumentation der Klägerseite in der Sache nicht folgen. Denn es ist bereits nicht überzeugend, aus Rechtsentwicklungen in anderen Bereichen (hier: MuSchG) auf einen gesetzgeberischen Willen des "Steuergesetzgebers" bei einem gleichzeitig unveränderten Steuergesetz zu schließen. Es kommt auch keine Steuerfreiheit in entsprechender Anwendung (durch eine Analogie, teleologische Extension o.ä.) in Betracht. Der Senat ist schließlich nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt und erachtet deshalb eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG für nicht geboten.