Ist eine Steuerfestsetzung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei einem Erstattungsanspruch möglich?
FG Düsseldorf 4.10.2018, 11 K 1921/16 EDer spätere Insolvenzschuldner B. war als Alleingesellschafter über die B-GmbH zu 100% an der operativ tätigen C & D GmbH beteiligt. Er war in beiden Gesellschaften Alleingeschäftsführer. Den Erwerb der C & D GmbH durch die B-GmbH hatte der Insolvenzschuldner über persönlich aufgenommene, zweckgebundene Darlehen bei der E-Bank finanziert. Schriftliche Darlehensverträge zwischen ihm und der B-GmbH zur Weiterreichung der Darlehensvaluta liegen nicht vor. Der Erwerb der C & D GmbH wurde ferner durch eine stille Beteiligung der F-mbH an der B-GmbH finanziert; für die Rückzahlung der Einlage hatte sich der Insolvenzschuldner gemeinsam mit der C & D GmbH zu einer Garantie verpflichtet.
Die C & D GmbH musste im Dezember 2014 Insolvenz anmelden. Das Insolvenzverfahren wurde am 30.1.2015 eröffnet. Infolgedessen beantragte der Insolvenzschuldner am 19.12.2014 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die B-GmbH, was allerdings am 6.2.2015 mangels Masse ablehnt wurde. Die E-Bank nahm den Kläger am 29.12.2014 für ausgefallene Darlehen i.H.v. über 1,1 Mio. € in Anspruch. Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde daher aufgrund eines Eigenantrags vom 30.1.2015 am 1.4.2015 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Am 5.5.2015 folgte die Inanspruchnahme des Insolvenzschuldners durch die F-mbH i.H.v. 274.239 € aufgrund der abgegebenen Garantieerklärung.
Das Finanzamt führte die Veranlagung für 2014 durch Bescheid vom 23.12.2015 erklärungsgemäß durch, so dass sich insgesamt eine Einkommensteuererstattung i.H.v. 2.454 € und eine Erstattung von Solidaritätszuschlag i.H.v. 132,57 € ergab. Daraufhin wandte sich der des Klägers an das Finanzamt und wies darauf hin, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich keine Bescheide mehr erlassen werden dürften, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt würden, die die Höhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten. Dies gelte auch für Erstattungsansprüche. Das Finanzamt blieb bei der Ansicht, dass der Erlass des Einkommensteuerbescheids 2014 gegenüber dem Insolvenzverwalter zulässig war, da durch diesen Bescheid keine Insolvenzforderungen begründet würden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Der Einkommensteuerbescheid 2014 ist nicht nichtig.
Der Erlass von Steuerbescheiden bleibt zulässig, wenn sich unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen oder Anrechnungsbeträgen insgesamt keine Zahllast ergibt. Derartige Steuerfestsetzungen laufen dem Zweck des Insolvenzverfahrens, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger möglichst zu gewährleisten, nicht entgegen. Eine Erstattung erfolgt zu Gunsten der Insolvenzmasse. Soweit der Insolvenzverwalter der Auffassung ist, dass die Erstattung noch zu gering ausgefallen ist, bleibt ihm die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung mit dem Einspruch anzufechten.
Der angegriffene Einkommensteuerbescheid 2014 ist deshalb wirksam. Aus § 87 InsO lässt sich nur ableiten, dass das Finanzamt Insolvenzforderungen nach den Vorschriften der Insolvenzordnung geltend zu machen hat. Eine solche wird es nicht zur Tabelle anmelden, wenn sich - etwa nach der eingereichten Steuererklärung - ein Erstattungsanspruch ergibt. Anders als bei Insolvenzforderungen ist bei Forderungen des Insolvenzschuldners gegen die Finanzverwaltung kein besonderes Anmelde- und Prüfungsverfahren in der Insolvenzordnung vorgesehen. Deshalb bleiben die Vorschriften zur Steuerfestsetzung nach der AO anwendbar. Eine Entscheidung des BFH zu der Frage, ob Steuerfestsetzungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich sind, wenn sich bei geleisteten Vorauszahlungen nach Anrechnung insgesamt ein Erstattungsanspruch ergibt, liegt bisher nicht vor.
Soweit der Insolvenzschuldner durch die E-Bank persönlich auf Rückzahlung dieser Darlehen in Anspruch genommen wurde, ist für den Senat nicht ersichtlich, dass deren Höhe allein aufgrund der Inanspruchnahme durch Schreiben vom 29.12.2014 hinreichend festgestanden hätte. Die bloße Forderung des Darlehensrestbetrages gegenüber dem Insolvenzschuldner führt nach Auffassung des Senats noch nicht zu einer hinreichend konkretisierten wirtschaftlichen Belastung, die im Jahr 2014 berücksichtigungsfähig wäre.
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