09.10.2014

Italienische Mindestverbrauchsteuer von 115 Prozent auf preiswerte Zigaretten widerspricht Unionsrecht

Die Mindestverbrauchsteuer von 115 Prozent, die Italien auf Zigaretten erhebt, deren Preis niedriger ist als der von Zigaretten der gängigsten Preisklasse, ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Eine solche Verbrauchsteuer führt zu Wettbewerbsverzerrungen.

EuGH 9.10.2014, C-428/13
Der Sachverhalt:
Die Richtlinie 2011/64/EU über Verbrauchsteuern auf Tabakwaren bestimmt, dass der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer für alle Zigaretten gleich sein müssen. Mit einer im Jahr 2012 erlassenen Entscheidung legte die Autonome Verwaltung der Staatsmonopole in Italien (AAMS) die Mindestverbrauchsteuer für Zigaretten, deren Kleinverkaufspreis niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse, auf 115 Prozent des Grundbetrags fest.

Die italienische Gesellschaft Yesmoke Tobacco SpA, die Zigaretten zu einem niedrigeren Preis als dem der gängigsten Preisklasse herstellt und vertreibt, focht die Entscheidung der AAMS vor dem Regionalen Verwaltungsgericht Latium an. Dieses Gericht war der Ansicht, dass mit der Entscheidung der AAMS de facto ein Mindestverkaufspreis für Tabakwaren eingeführt worden sei, was im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH stehe. Infolgedessen erklärte es die Entscheidung der AAMS für nichtig. Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen und die AAMS legten gegen dieses Urteil beim Staatsrat Berufung ein.

Mit seiner Vorlage zur Vorabentscheidung fragt der Staatsrat den EuGH, ob nach der Richtlinie eine nationale Rechtsvorschrift zulässig ist, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, sondern eine Mindestverbrauchsteuer, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.

Die Gründe:
Nach der Richtlinie ist eine nationale Rechtsvorschrift unzulässig, mit der keine für alle Zigaretten gleiche Mindestverbrauchsteuer, sondern eine Mindestverbrauchsteuer eingeführt wird, die nur für Zigaretten mit einem Kleinverkaufspreis gilt, der niedriger ist als bei Zigaretten der gängigsten Preisklasse.

Die Richtlinie legt die allgemeinen Grundsätze für die Harmonisierung der Struktur und der Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren fest. Sie sieht vor, dass auf alle Zigaretten - unabhängig von Eigenschaften und Preis - eine globale Verbrauchsteuer zu erheben ist, die sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt: einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis berechneten Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer. Der Satz der Ad-Valorem-Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen für alle Zigaretten gleich sein.

Den Mitgliedstaaten steht es frei, eine Mindestverbrauchsteuer auf Zigaretten zu erheben, die eine Mindestschwelle für die Besteuerung darstellt, unterhalb deren es keine proportionale Kürzung der geschuldeten Steuer geben darf. Machen die Mitgliedstaaten von der ihnen eingeräumten Befugnis zur Einführung einer Mindestverbrauchsteuer Gebrauch, muss sich eine solche Regelung in den von der Richtlinie vorgegebenen Rahmen einfügen und darf ihren Zielen nicht zuwiderlaufen. Die Einführung von Mindestschwellen für die Besteuerung anhand der Eigenschaften oder des Preises der Zigaretten würde aber zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den verschiedenen Zigaretten führen und stünde im Widerspruch zu dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und ein neutrales Wettbewerbsumfeld zu gewährleisten.

Konkret haben die Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Italien einen Kleinverkaufspreis von 210 €, wobei die globale Verbrauchsteuer 122,85 € beträgt. Gemäß der italienischen Regelung werden Zigaretten, deren Preis unter 210 € liegt, mit einer Mindestverbrauchsteuer von 141,28 € belegt (die Zahlenangaben gelten für je 1.000 Zigaretten). Die italienische Regelung schafft damit ein System, bei dem der für Zigaretten der gängigsten Preisklasse in Anwendung der globalen Verbrauchsteuer erhobene Betrag niedriger ist als die Mindestverbrauchsteuer auf die preisgünstigsten Zigaretten, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt und den Zielen der Richtlinie zuwiderläuft.

Die Richtlinie besagt, dass die Höhe der Steuern ein wichtiger Faktor ist, der den Preis von Tabakwaren und folglich die Rauchgewohnheiten der Verbraucher beeinflusst. Die Steuervorschriften stellen insoweit ein wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums von Tabakwaren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dar. Sofern sich die nationalen Maßnahmen in den von der Richtlinie festgelegten Rahmen einfügen, hindert diese die Mitgliedstaaten somit nicht daran, mittels der Erhebung von Verbrauchsteuern die Nikotinsucht zu bekämpfen und ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 138 vom 9.10.2014
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