17.10.2014

Kein Anspruch des Leistungsempfängers gegen das Finanzamt auf Erstattung zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer

Ein Leistungsempfänger kann die ihm zu Unrecht vom leistenden Unternehmer in Rechnung gestellte und an diesen gezahlte Umsatzsteuer auch dann nicht vom Finanzamt erstattet verlangen, wenn der Rechnungsaussteller zur Rückerstattung nicht bereit oder in der Lage ist. Dem steht der europarechtliche Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer nicht entgegen, denn dieser wird grundsätzlich auch dann beachtet, wenn der Leistungsempfänger im Hinblick auf die Erstattung zu Unrecht gezahlter Vorsteuerbeträge auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

FG Münster 3.9.2014, 6 K 939/11 AO
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft die Frage der Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend die Erstattung von Umsatzsteuerzahlungen. Die Klägerin, eine GmbH, nahm aus Eingangsrechnungen verschiedener Kapitalgesellschaften einen Vorsteuerabzug in Anspruch. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung versagte ihr das Finanzamt diesen Anspruch weil die Rechnungen eine unzutreffende Leistungsbezeichnung enthielten. Nachdem entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide ergangen waren, zahlte die Klägerin die zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurück.

Etwa zwei Jahre später begehrte die Klägerin die Erstattung eines Teils der zurückgezahlten Vorsteuern vom Finanzamt, weil ihr insoweit eine Inanspruchnahme der Rechnungsaussteller nicht möglich sei. Hierzu berief sie sich auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der einem gutgläubigen Leistungsempfänger ein unmittelbarer Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt zustehe, wenn der Leistende zahlungsunfähig oder -unwillig sei. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Klägerin keinen Anspruch habe, da die geänderten Umsatzsteuerbescheide einen Rechtsgrund für die Rückzahlung der Vorsteuerbeträge darstellten. Überdies habe sie ihre Gutgläubigkeit nicht nachgewiesen.

Das FG legte die Ablehnung des Finanzamts als Abrechnungsbescheid aus und wies die Klage ab. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Sie ist beim BFH unter dem Az. VII R 42/14 anhängig.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides, in dem für sie Umsatzsteuerguthaben festgestellt wird, das an sie auszukehren wäre. Ein derartiger Erstattungsanspruch steht der Klägerin nicht zu, es fehlt insoweit an einer Rechtsgrundlage.

Einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Umsatzsteuer haben allein die Rechnungsaussteller, die ihre Rechnungen berichtigt haben. Dem steht der europarechtliche Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer nicht entgegen. Dieser wird grundsätzlich auch dann beachtet, wenn der Leistungsempfänger im Hinblick auf die Erstattung zu Unrecht gezahlter Vorsteuerbeträge auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 15.3.2007, C-35/05 - Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH) kann sich der Rechnungsempfänger zwar ausnahmsweise unmittelbar an die Steuerbehörde wenden, wenn die Erstattung unmöglich oder übermäßig erschwert sei. Diese Rechtsprechung ist allerdings zu einem grenzüberschreitenden Sachverhalt im Vorsteuervergütungsverfahren ergangen. Daher ist sie auf einen reinen Inlandssachverhalt nicht übertragbar. Anderenfalls würde der Leistungsempfänger im Insolvenzfall gegenüber anderen Gläubigern des Rechnungsausstellers bevorzugt werden.

Linkhinweis:

FG Münster NL vom 15.10.2014
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