Kein Finanzrechtsweg bei wegen der Beitreibung von rückständigen Rundfunkbeiträgen geführtem Rechtsstreit
FG Hamburg 22.10.2015, 1 V 108/15Der NDR ersuchte die Antragsgegnerin mit der Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen des Antragstellers i.H.v. rund 410 € für den Zeitraum Januar 2013 bis September 2014, die nach Angaben des NDR rückständig waren. Die Antragsgegnerin erließ wegen dieser Forderung zzgl. Vollstreckungskosten eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegenüber der Bank des Antragstellers.
Der Antragsteller beantragte daraufhin vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht beantragt. Er war der Ansicht, der Finanzrechtsweg sei gegeben, da die Vollstreckung durch die Antragsgegnerin nach den Vorschriften der AO erfolge, auf die § 35 Abs. 1 HmbVwVG verweise.
Das FG lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab. Allerdings wurde gem. § 155 S. 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 4 S. 4 u. 5 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Der beschrittene Finanzrechtsweg war nicht zulässig. Der Rechtsstreit ist an das zuständige VG Hamburg zu verweisen.
Der Finanzrechtsweg ist gem. § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO nur in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten gegeben, soweit die Verwaltungsakte durch Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der AO zu vollziehen sind. Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor. Die Vollziehung richtet sich hier nach dem HmbVwVG, da dieses Gesetz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HmbVwVG Anwendung findet. Die Antragsgegnerin als Stelle der Freien und Hansestadt Hamburg betreibt die Vollstreckung eines im Verwaltungswege vollstreckbaren Titels.
Die Antragsgegnerin als Landesfinanzbehörde betreibt die Vollstreckung nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HmbVwVG. Sie ist für die Vollstreckung gem. § 4 S. 1 HmbVwVG i.V.m. Abschnitt III Nr. 3 der Anordnung über Vollstreckungsbehörden zuständig und führt gem. § 5 Abs. 1 HmbVwVG die Vollstreckung durch. Die Antragsgegnerin betreibt die Vollstreckung eines im Verwaltungswege vollstreckbaren Titels. Nach § 10 Abs. 5 S. 1 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt - hier durch den NDR als Anstalt des öffentlichen Rechts - festgesetzt. Die Festsetzungsbescheide als Verwaltungsakte werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren öffentlich-rechtlich vollstreckt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 35 Abs. 1 HmbVwVG. Zwar erklärt § 35 Abs. 1 HmbVwVG eine Vielzahl von Vorschriften der AO zur Vollstreckung wegen Geldforderungen für die Beitreibung von Geldforderungen nach dem HmbVwVG für entsprechend anwendbar. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich allerdings nicht unbedingt eine Vollziehung "nach den Vorschriften der AO". Einer Vollziehung nach den Vorschriften der AO stehen vielmehr systematische und historische Erwägungen sowie Sinn und Zweck des HmbVwVG entgegen:
- Das HmbVwVG alte Fassung stellte eine eigenständige Regelung dar und sollte gerade nicht auf die Vorschriften der seinerzeitigen Reichsabgabenordnung verweisen.
- Teil 3 des HmbVwVG enthält im Verhältnis zur AO eigenständige Regelungen für die Verwaltungsvollstreckung, die an die Regelungen der AO nur angelehnt sind.
- Das HmbVwVG alte Fassung stellte eine eigenständige Regelung dar und sollte gerade nicht auf die Vorschriften der seinerzeitigen Reichsabgabenordnung verweisen.
- Durch die dynamische Verweisung auf die Vorschriften der AO für die Vollstreckung von Geldforderungen sollte eine zeitnahe Anpassung sichergestellt und die Zwangsvollstreckung landes- und bundesrechtlich im Einklang fortentwickelt werden. Diesem Sinn und Zweck des HmbVwVG würde es widersprechen, wenn durch die Neuregelung der früher vorgesehene Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nunmehr aufgespalten würde.
Es ist allerdings gerichtsbekannt, dass zahlreiche vergleichbare Verfahren sowohl beim FG als auch beim VG anhängig gemacht wurden. Über die zu klärende Auslegung des § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO kann der BFH entscheiden. Der BFH kann prüfen, ob das FG das irrevisible Landesrecht zutreffend unter übergeordnetes Bundesrecht subsumiert hat bzw. ob das Landesrecht mit übergeordnetem Bundesrecht übereinstimmt.
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