23.06.2014

Kein Kindergeld für inhaftiertes behindertes Kind

Die Behinderung eines Kindes ist für dessen Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nicht ursächlich, wenn es sich in Untersuchungs- und anschließender Strafhaft befindet. Das gilt auch dann, wenn die Straftat durch die Behinderung gefördert wurde.

BFH 30.4.2014, XI R 24/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Vater eines Sohnes S, dessen Grad der Behinderung seit 2004 infolge einer psychischen Erkrankung festgestellt wurde. S tötete vorsätzlich, jedoch im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit, eine Person. Das LG verurteilte S, der noch am Tag der Tat festgenommen und in Untersuchungshaft genommen worden war, wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe. S trat die Haft an. Der Kläger beantragte Kindergeld für S ab Januar 2004. Die beklagte Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers u.a. im Hinblick auf die Zeit, in der sich S in Haft befand, ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil auf wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kindergeld für die noch streitigen Monate, in denen S inhaftiert war.

Ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht unter den weiteren Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 EStG u.a., wenn dieses wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs - bei Eintritt der Behinderung vor dem 1.1.2007 des 27. Lebensjahrs (§ 52 Abs. 40 S. 8 EStG) - eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG). Für den S wurde unstreitig ab 2004, mithin vor Vollendung dessen 25. Lebensjahrs, infolge einer psychischen Erkrankung ein Grad der Behinderung festgestellt.

Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG muss ein kindergeldrechtlich zu berücksichtigendes Kind "wegen" seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten; die Behinderung muss somit ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sein. Ist ein Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG kindergeldrechtlich (dann) zu berücksichtigen, wenn es "wegen" seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, dann stehen weder Wortlaut noch Wortsinn dieser Vorschrift dem entgegen, dass ein behindertes Kind keine Berücksichtigung findet, weil es schon aufgrund seiner Inhaftierung zum Selbstunterhalt unfähig ist. Für behinderte Kinder, die aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung untergebracht sind, besteht kein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG.

In diesen Fällen ist die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt zu verneinen. Treten - wie im Streitfall mit der Inhaftierung - andere, die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt insoweit überholende Ursachen hinzu, ist Kindergeld selbst dann zu versagen, wenn die Begehung der zur Inhaftierung führenden Straftat behinderungsbedingt ist. Während der Haft ist ein Kind unabhängig davon, ob es behindert ist oder nicht, grundsätzlich außerstande einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In diesen Fällen steht nicht die Behinderung eines Kindes der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts entgegen, sondern die Inhaftierung.

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