Kein Mindeststreitwert für im Vorverfahren tätig gewordenen Steuerberater
Niedersächsisches FG 4.10.2016, 9 KO 3/16Das Hauptsacheverfahren, das bei Gericht unter dem Az. 9 K 118/16 anhängig war, hatte sich dadurch erledigt, dass der Erinnerungsführer den streitbefangenen Einkommensteuerbescheid 2009 antragsgemäß änderte. Mit Beschluss vom 20.6.2016 wurden dem Erinnerungsführer die Kosten des Verfahrens auferlegt und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten Im Vorverfahren für notwendig erklärt.
Dem Kostenfestsetzungsantrag des Erinnerungsgegner folgte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle im Wesentlichen und setzte die zu erstattenden Kosten auf rd. 340 € fest. Mit der hiergegen gerichteten Erinnerung rügt der Erinnerungsführer die für das Vorverfahren angesetzten Kosten und macht geltend, dass im Einspruchsverfahren nicht der Mindeststreitwert, sondern der tatsächliche Streitwert von 292 € (unstreitig) anzusetzen sei. Der Erinnerungsgegner vertritt dagegen die Auffassung, dass der Mindeststreitwert von 1.500 €, der gem. § 45 StBVV i.V.m. § 23 RVG für das Klageverfahren gelte, auch im Vorverfahren anzusetzen sei.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab und gab das Verfahren zur weiteren Bearbeitung an das FG ab. Vor dem FG hatte die Erinnerung Erfolg.
Die Gründe:
Der Erinnerungsführer davon geht zu Recht davon aus, dass bei der Festsetzung der zu erstattenden Gebühren für das Vorverfahren der tatsächliche Streitwert von 292 € und nicht der für das Klageverfahren anzusetzende Mindeststreitwert von 1.500 € zugrunde zu legen ist.
Da der Steuerberater für seine Tätigkeit in gerichtlichen und sonstigen Verfahren die gleiche Vergütung wie ein Rechtsanwalt erhalten soll, verweist die StBVV (§ 45), um Doppelregelungen zu vermeiden, auf die Vergütungsvorschriften des RVG. Diese Verweisung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Teil 2 des RVG regelt die Gebühren für außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren. Dieser Teil ist für Steuerberater nicht anwendbar, da bereits die StBVV für außergerichtliche Tätigkeiten wie die Vertretung in Rechtsbehelfsverfahren spezielle Normen vorsieht (§ 40). Teil 3 des RVG regelt die Gebühren u.a. für das finanzgerichtliche Verfahren. Diese Vorschriften, zu denen auch § 23 RVG gehört, sind über § 45 StBVV anwendbar, soweit es um die Gebühren des Steuerberaters für die Vertretung vor den Finanzgerichten geht.
Hiernach bestimmt sich der Gegenstandswert grundsätzlich nach § 52 Abs. 1 bis 3 GKG. Für das gerichtliche Verfahren gilt danach auch der Mindeststreitwert von 1.500 € (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG), und zwar für Rechtsanwälte und Steuerberater gleichermaßen. Der Ansatz des Mindeststreitwerts im Vorverfahren scheidet aber für die Berechnung der Gebühren eines Steuerberaters aus. Die StBVV sieht anders als § 23 RVG insoweit keinen Verweis auf das GKG vor. Die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des RVG gilt nach § 45 StBGebV ausdrücklich nur für die Vergütung des Steuerberaters im Verfahren vor dem Finanzgericht, d.h. die im gerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren.
Dies mag zwar inkonsequent sein und zu einer unterschiedlichen Behandlung von Rechtsanwälten und Steuerberatern führen. Das Gericht kann sich aber nicht über den eindeutigen Wortsinn der Vorschrift hinwegsetzen. Im Ergebnis existiert daher im Vorverfahren, das von einem Steuerberater betrieben wird, kein Mindeststreitwert. Maßgebend ist insoweit - wovon der Erinnerungsführer zutreffend ausgeht - allein § 10 StBVV und der sich im Streitfall hieraus ergebene Streitwert von 292 €.
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