Kein Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen bei Bezug von steuerfreiem Arbeitslohn aus einer Tätigkeit in einem Drittstaat
Kurzbesprechung
BFH v. 14. 12. 2022 - X R 25/21
EStG § 10 Abs 1 Nr. 2 S 1 Buchst a, § 10 Abs 1 Nr. 3a, § 10 Abs 2 S 1 Nr. 1 Teils 1, § 10 Abs 2 S 1 Nr. 1 Teils 2
GG Art 3 Abs 1, Art 20 Abs 1
AEUV Art 45, FGO § 107
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG schließt den Abzug der dort genannten, im Streitfall maßgebenden Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben aus, wenn diese in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Durch diese Regelung soll ein ansonsten eintretender doppelter steuerlicher Vorteil vermieden werden.
Dieses Abzugsverbot kam im Streitfall zur Anwendung, denn der Steuerpflichtige bezog Arbeitslohn für eine Tätigkeit, die er teils im Inland und überwiegend in China ausübte. Der auf die Betätigung in China entfallende Anteil des Arbeitslohns war nur dort zu besteuern (Art. 15 Abs. 1 DBA China) und wurde im Inland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und d DBA China i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG).Der auf die Auslandstätigkeit entfallende Arbeitslohn wurde nach § 4 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über Sozialversicherung vom 12.07.2001 (BGBl II 2002, 82) in die Beitragsbemessung für die inländische Renten- sowie Arbeitslosenversicherung einbezogen, sodass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Beiträge mit steuerfreien Einnahmen bestand.
Der BFH entschied, dass die Geltung des Abzugsverbots nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass die künftigen Leistungen aus der Rentenversicherung als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG im Inland steuerpflichtig sind. Im Hinblick auf das in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG geregelte Erfordernis eines "unmittelbaren" wirtschaftlichen Zusammenhangs müssen die steuerfreien Einnahmen und die Vorsorgeaufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sein. Abzustellen ist somit allein auf die Einnahmen, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen. Aus demselben Grund ist es unerheblich, dass einer etwaigen künftigen Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG steuersatzerhöhende Wirkung zukäme.
Die durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) in Reaktion auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union Bechtel vom 22.06.2017 - C-20/16 (EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271) eingefügte und nach § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG auch für alle noch offenen Fälle anwendbare Ausnahme vom Sonderausgabenabzugsverbot gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG kam im Streitfall nicht zur Anwendung, da es bereits an den territorialen Voraussetzungen der Norm fehlte. Denn der Steuerpflichtige übte seine nichtselbständige ‑ steuerfreie Einnahmen vermittelnde ‑ Tätigkeit weder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) noch in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bzw. in der Schweizerischen Eidgenossenschaft aus (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. a EStG).
Das FG hatte zwar nicht festgestellt, ob die streitigen Vorsorgeaufwendungen bei der Besteuerung des Steuerpflichtigen in China tatsächlich steuermindernd berücksichtigt wurden oder zumindest hätten berücksichtigt werden können. Eine solche Feststellung war allerdings entbehrlich. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, bestünde weder für die Beiträge zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit noch für diejenigen zur gesetzlichen Rentenversicherung von Verfassungs wegen Anspruch darauf, entgegen § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG einen vollständigen Sonderausgabenabzug zuzulassen.
Der BFH entschied zudem, dass der teilweise Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für Beiträge zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG kein Verfassungsrecht verletzt. Auch der auf § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG beruhende Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die vom Steuerpflichtigen erbrachten Altersvorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG) ist mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Weder ist das objektive Nettoprinzip berührt, noch kann für das Streitjahr eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen gerügt werden. Zudem verletzt der ausgeschlossene Sonderausgabenabzug nicht das subjektive Nettoprinzip. Schließlich verstoßen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen auch nicht gegen das Folgerichtigkeitsgebot.
Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die streitigen Rentenversicherungsbeiträge verstößt für das Streitjahr auch insoweit nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), als hierdurch eine doppelte Besteuerung von später im Inland zu versteuernden Renteneinkünften verursacht werden könnte. Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG verletzt nicht das subjektive Nettoprinzip.
Auch ist unerheblich, dass die in Zusammenhang mit den Altersvorsorgeaufwendungen des Steuerpflichtigen stehenden Einnahmen jedenfalls bei globaler Betrachtung nicht in Gänze steuerfrei gestellt sind, sondern in China steuerlich belastet wurden. Denn der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bei grenzüberschreitenden Sachverhalten steht nicht generell unter dem Vorbehalt, dass der Steuerpflichtige die Vorsorgeaufwendungen in einem anderen Staat steuerlich in Abzug bringen kann. Dies gilt zur Wahrung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) nach Teilsatz 2 Buchst. a der Vorschrift nur im Verhältnis zu EU- und EWR-Mitgliedstaaten sowie zur Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Der teilweise Ausschluss des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG verstößt schließlich nicht gegen das Folgerichtigkeitsgebot.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 10 Abs 1 Nr. 2 S 1 Buchst a, § 10 Abs 1 Nr. 3a, § 10 Abs 2 S 1 Nr. 1 Teils 1, § 10 Abs 2 S 1 Nr. 1 Teils 2
GG Art 3 Abs 1, Art 20 Abs 1
AEUV Art 45, FGO § 107
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG schließt den Abzug der dort genannten, im Streitfall maßgebenden Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben aus, wenn diese in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Durch diese Regelung soll ein ansonsten eintretender doppelter steuerlicher Vorteil vermieden werden.
Dieses Abzugsverbot kam im Streitfall zur Anwendung, denn der Steuerpflichtige bezog Arbeitslohn für eine Tätigkeit, die er teils im Inland und überwiegend in China ausübte. Der auf die Betätigung in China entfallende Anteil des Arbeitslohns war nur dort zu besteuern (Art. 15 Abs. 1 DBA China) und wurde im Inland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und d DBA China i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG).Der auf die Auslandstätigkeit entfallende Arbeitslohn wurde nach § 4 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über Sozialversicherung vom 12.07.2001 (BGBl II 2002, 82) in die Beitragsbemessung für die inländische Renten- sowie Arbeitslosenversicherung einbezogen, sodass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Beiträge mit steuerfreien Einnahmen bestand.
Der BFH entschied, dass die Geltung des Abzugsverbots nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass die künftigen Leistungen aus der Rentenversicherung als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG im Inland steuerpflichtig sind. Im Hinblick auf das in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG geregelte Erfordernis eines "unmittelbaren" wirtschaftlichen Zusammenhangs müssen die steuerfreien Einnahmen und die Vorsorgeaufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sein. Abzustellen ist somit allein auf die Einnahmen, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen. Aus demselben Grund ist es unerheblich, dass einer etwaigen künftigen Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG steuersatzerhöhende Wirkung zukäme.
Die durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) in Reaktion auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union Bechtel vom 22.06.2017 - C-20/16 (EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271) eingefügte und nach § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG auch für alle noch offenen Fälle anwendbare Ausnahme vom Sonderausgabenabzugsverbot gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG kam im Streitfall nicht zur Anwendung, da es bereits an den territorialen Voraussetzungen der Norm fehlte. Denn der Steuerpflichtige übte seine nichtselbständige ‑ steuerfreie Einnahmen vermittelnde ‑ Tätigkeit weder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) noch in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bzw. in der Schweizerischen Eidgenossenschaft aus (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. a EStG).
Das FG hatte zwar nicht festgestellt, ob die streitigen Vorsorgeaufwendungen bei der Besteuerung des Steuerpflichtigen in China tatsächlich steuermindernd berücksichtigt wurden oder zumindest hätten berücksichtigt werden können. Eine solche Feststellung war allerdings entbehrlich. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, bestünde weder für die Beiträge zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit noch für diejenigen zur gesetzlichen Rentenversicherung von Verfassungs wegen Anspruch darauf, entgegen § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG einen vollständigen Sonderausgabenabzug zuzulassen.
Der BFH entschied zudem, dass der teilweise Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für Beiträge zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG kein Verfassungsrecht verletzt. Auch der auf § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG beruhende Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die vom Steuerpflichtigen erbrachten Altersvorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG) ist mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar. Weder ist das objektive Nettoprinzip berührt, noch kann für das Streitjahr eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen gerügt werden. Zudem verletzt der ausgeschlossene Sonderausgabenabzug nicht das subjektive Nettoprinzip. Schließlich verstoßen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen auch nicht gegen das Folgerichtigkeitsgebot.
Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für die streitigen Rentenversicherungsbeiträge verstößt für das Streitjahr auch insoweit nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), als hierdurch eine doppelte Besteuerung von später im Inland zu versteuernden Renteneinkünften verursacht werden könnte. Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG verletzt nicht das subjektive Nettoprinzip.
Auch ist unerheblich, dass die in Zusammenhang mit den Altersvorsorgeaufwendungen des Steuerpflichtigen stehenden Einnahmen jedenfalls bei globaler Betrachtung nicht in Gänze steuerfrei gestellt sind, sondern in China steuerlich belastet wurden. Denn der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bei grenzüberschreitenden Sachverhalten steht nicht generell unter dem Vorbehalt, dass der Steuerpflichtige die Vorsorgeaufwendungen in einem anderen Staat steuerlich in Abzug bringen kann. Dies gilt zur Wahrung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) nach Teilsatz 2 Buchst. a der Vorschrift nur im Verhältnis zu EU- und EWR-Mitgliedstaaten sowie zur Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Der teilweise Ausschluss des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG verstößt schließlich nicht gegen das Folgerichtigkeitsgebot.