30.12.2014

Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen Kernbrennstoffsteuer

Ruft ein FG das BVerfG an oder richtet es an den EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen, entfalten diese Vorlagen im Hinblick auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Verwaltungsentscheidung für den BFH keine Bindungswirkung. Ein Antrag auf AdV, der mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit oder Unionsrechtskonformität des der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Gesetzes begründet wird, ist abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls dem erforderlichen besonderen Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kein Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt.

BFH 25.11.2014, VII B 65/14
Hintergrund:
Mit Wirkung vom 1.1.2011 wurde in Deutschland eine Steuer auf zur gewerblichen Stromerzeugung verwendete Kernbrennstoffe eingeführt. Die Steuer entsteht, wenn in einen Kernreaktor Brennelemente eingesetzt werden, die eine Kettenreaktion auslösen. Schuldner der Steuer sind die Betreiber von Kernkraftwerken. Diese haben sich in mehreren Fällen gegen die Zahlung der Steuer gerichtlich zur Wehr gesetzt.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt ein Kernkraftwerk. Nachdem sie in den Kernreaktor Brennelemente eingesetzt und anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst hatte, was zur Steuerentstehung nach § 5 Abs. 1 KernbrStG führte, gab sie für den Monat, in dem die Steuer entstanden war, eine Steueranmeldung ab. Die in der Steueranmeldung berechnete Steuer ist zunächst bezahlt worden. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, worauf die Antragstellerin Klage erhob. Außerdem stellte sie einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV).

Das FG Hamburg hat die insoweit streitigen verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Fragen dem BVerfG bzw. dem EuGH vorgelegt. Mit seiner Vorlage an das BVerfG vertritt das FG die Auffassung, dem Bund habe für die Einführung der Steuer die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, denn es handele sich bei der Kernbrennstoffsteuer nicht um eine besondere Verbrauchsteuer, weil sie nicht auf Weitergabe der steuerlichen Belastung an den Stromverbraucher angelegt sei. Sein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH begründete das FG insbesondere damit, das geltende Unionsrecht stehe der Einführung einer nationalen Steuer auf zur Stromerzeugung verwendete Kernbrennstoffe entgegen.

Unter Hinweis auf seine Vorlagen an das BVerfG und den EuGH und die dort beschriebenen rechtlichen Zweifel gewährte das FG der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz mit der Folge, dass die Steuer einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zu entrichten ist. Gegen diese Entscheidung legte das für die Steuererhebung zuständige Hauptzollamt Beschwerde beim BFH ein. Der BFH gab der Beschwerde statt, hob den angefochtenen Beschluss auf und lehnte den Antrags auf AdV ab.

Die Gründe:
Das FG hat die AdV der angefochtenen Steueranmeldung zu Unrecht angeordnet.

Der BFH ist trotz der Vorlagebeschlüsse des FG weder an dessen Rechtsauffassung gebunden noch an einer Interessensabwägung gehindert. Vielmehr war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen. Dabei konnte die Frage nach der Steuerart der Kernbrennstoffsteuer, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Unionsrechtskonformität ausdrücklich offenbleiben.

Ausschlaggebend für die Entscheidung ist vielmehr die Erwägung, dass eine Aufhebung der Vollziehung in ihren praktischen Auswirkungen dem zeitweiligen Außerkraftsetzen des Kernbrennstoffsteuergesetzes gleichkäme. Dies kann nach der Rechtsprechung des BVerfG nur unter Beachtung strenger Voraussetzungen geschehen. Diese liegen im Streitfall jedoch nicht vor.

Gegenüber dem Interesse der Kraftwerksbetreiber, die Steuer vorläufig nicht zahlen zu müssen, ist dem Geltungsanspruch des Gesetzes der Vorrang einzuräumen. Dass die Antragstellerin bei Entrichtung der angemeldeten Steuer nicht wiedergutzumachende Nachteile von erheblichem Gewicht erlitte oder nicht mehr gewinnbringend gewerblich tätig sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Darüber hinaus ist das Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zu berücksichtigen. Im Fall der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes würden dem Bundeshaushalt zumindest zeitweise jährlich ca. 1,3 Mrd. € entzogen.

Linkhinweis:

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BFH PM Nr. 84 vom 23.12.2014
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