05.10.2015

Kein vorläufiger Steuerrechtsschutz bei der Rückabwicklung des Reverse-Charge-Verfahrens in Bauträgerfällen

Das FG Köln hat vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Nachbelastung von Umsatzsteuer bei der Rückabwicklung des Reverse-Charge-Verfahrens in den sog. Bauträgerfällen abgelehnt. Die Rechtsprechung zu diesen die Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen betreffenden Fällen ist unter den Finanzgerichten uneinheitlich.

FG Köln 1.9.2015, 9 V 1376/15
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Aussetzung der Vollziehung von nach § 27 Abs. 19 S. UStG geänderten Umsatzsteuerbescheiden; der Antragsteller bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG und beruft sich auf Vertrauensschutz gem. § 176 Abs. 2 AO.

Der Antragsteller erbrachte in den Jahren 2011 bis 2013 Bauleistungen gegenüber zwei Bauträgern, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauten. Entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung gingen alle Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Bauträger als Leistungsempfänger die auf die Bauleistungen entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hatten. Nachdem diese Erlasslage aufgrund des BFH-Urteils vom 22.8.2013 (V R 37/10) nicht mehr maßgeblich war, beantragten die Bauträger die Erstattung der für Bauleistungen des Antragstellers bezahlten Umsatzsteuer.

Infolgedessen änderte das Finanzamt die bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide des Antragstellers für die Streitjahre 2011 bis 2013 und erhöhte die festgesetzte Umsatzsteuer um insgesamt über 60.000 €. Dabei berief es sich auf eine Neuregelung, die der Gesetzgeber als Reaktion auf das Urteil des BFH zur Vermeidung von Steuerausfällen in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen hat (§ 27 Abs. 19 UStG). Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide ab.

Das FG lehnte den Antrag ebenfalls ab.

Die Gründe:
Das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung sowie an dem Vollzug eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes überwiegt das Interesse des Antragstellers, das allein darin besteht, die bereits gezahlte Umsatzsteuer - im Ergebnis - vorläufig wieder erstattet zu bekommen.

Die Vollziehungsaussetzung aller nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheide hätte die faktische Außerkraftsetzung dieser formell ordnungsgemäß erfolgten Gesetzesänderung und damit eine erhebliche Breitenwirkung zur Folge. Die Leistungen eines ganzen Wirtschaftszweiges würden im Ergebnis über mehrere Jahre nicht der Umsatzsteuer unterworfen, obwohl der umsatzsteuerliche Tatbestand unstreitig erfüllt ist.

Dem hierdurch für den öffentlichen Haushalt entstehenden fiskalischen Risiko von mehreren Milliarden € stehen im Streitfall keine nicht wieder gutzumachenden Nachteile des Antragstellers entgegen. Bei dieser Beurteilung war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach der gesetzlichen Regelung in § 27 Abs. 19 S. 3 und 4 UStG die Möglichkeit gehabt hätte, die Steuererhöhung ihm gegenüber zu verhindern, indem er den Bauträgern die Umsatzsteuer nachträglich in Rechnung gestellt und die entsprechenden Zahlungsansprüche an den Fiskus abgetreten hätte.

Hintergrund:
Auch das FG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 31.8.2015 (1 V 1486/15) den Antrag eines Bauunternehmens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Nachbelastung von Umsatzsteuer im sog. Reverse-Charge-Verfahren abgelehnt. Dagegen haben das FG Münster (Beschluss vom 12.8.2015, 15 V 2153/15 U) und das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 3.6.2015, 5 V 5026/15) in vergleichbaren Fällen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten vorläufigen Rechtsschutz gewährt.

Linkhinweis:

FG Köln PM vom 1.10.2015
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