Keine Anrechnung eines steuerpflichtigen Sterbegeldes auf die als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Beerdigungskosten
FG Düsseldorf v. 15.6.2020 - 11 K 2024/18 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im Streitjahr 2017 als Geschäftsführerin tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Das Landesamt für Finanzen des Landes zahlte im September 2017 aufgrund des Ablebens der Mutter an die Klägerin ein Sterbegeld i.H.v. brutto 6.550 € aus, für das es Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse VI, Solidaritätszuschlag und Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung einbehielt. Ein Anspruch der Klägerin ergab sich aus § 23 Abs. 3 des Ländertarifvertrages (TV-L), da ihre Mutter bis zu ihrem Ableben als Landesbeschäftigte tätig war. Es erfolgte eine entsprechende elektronische Mitteilung an das Finanzamt.
In ihrer Steuererklärung für 2017 ließ die Klägerin das erhaltene Sterbegeld unberücksichtigt. Überdies begehrte sie den Abzug von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastungen. Das Finanzamt erhöhte die erklärten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um das erhaltene Sterbegeld und berücksichtigte wegen des Sterbegeldes einen Freibetrag für Versorgungsbezüge i.H.v. 153 € und einen Pauschbetrag für Versorgungsbezüge i.H.v. 102 €. Die außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigte es erklärungsgemäß.
Die Klägerin legte Einspruch ein, mit dem sie begehrte, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erklärungsgemäß zu verringern. Das Finanzamt wies die Klägerin auf eine mögliche Verböserung des angefochtenen Bescheides hin, da nach seiner Ansicht die außergewöhnlichen Belastungen aufgrund des erhaltenen Sterbegeldes nicht zu berücksichtigen seien. Nachdem die Klägerin ihren Einspruch nicht zurücknahm, erließ die Behörde einen Änderungsbescheid, in dem es die Beerdigungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte.
Das FG gab der Klage im Hinblick auf die außergewöhnlichen Belastungen statt. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die mit dem Hauptantrag geltend gemachte Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11 EStG greift nicht ein. Die Klägerin erzielte über den Bezug des Sterbegeldes gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit in Form von anderen Bezügen aus früheren Dienstleistungen. Dieser Bezug war nicht steuerfrei. Es handelt sich beim ausgezahlten Sterbegeld um Bezüge aus öffentlichen Mitteln. Eine Hilfsbedürftigkeit der Klägerin ließe sich ebenfalls begründen. Allerdings hat das Landesamt für Finanzen das Sterbegeld nicht "wegen" einer Hilfsbedürftigkeit der Klägerin ausgezahlt. Und eine Steuerbefreiung von Leistungen, die über einen konkreten Hilfsbedarf hinausgehen, ist nicht geboten.
Das Finanzamt hat jedoch die Aufwendungen der Klägerin i.H.v. 3.336 € zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Der Pauschbetrag gem. § 9a S. 1 Nr. 1 b) EStG i.H.v. 102 € führt nicht zu einer Minderung der außergewöhnlichen Belastungen. Anderes gilt für den Versorgungsfreibetrag. Dieser führt im Wege einer Vorteilsanrechnung i.H.d. steuerfreien Versorgungsfreibetrags i.H.v. 153 € zu einer Kürzung der außergewöhnlichen Belastungen. Der Sterbegeldbezug führt entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht insgesamt zu einer Vorteilsanrechnung.
Die Klägerin war durch die Beerdigungskosten wirtschaftlich endgültig belastet. Das Einkommen der Klägerin ist deshalb über den Abzug der übrigen Beerdigungskosten entsprechend zu mindern. Eine weitergehende Vorteilsanrechnung wäre in dieser Konstellation nicht sinnvoll. Sie dient dazu, eine steuerliche Doppelentlastung zu vermeiden. Eine solche könnte eintreten, wenn dem Steuerpflichtigen steuerfreie Ersatzleistungen zufließen, aus denen er dann Aufwendungen i.S.v. § 33 Abs. 1 EStG tätigt. Daran fehlt es im Streitfall, soweit das Sterbegeld den Versorgungsfreibetrag überstieg
Nach Auffassung des Senats hat die Rechtsprechung bisher nur bei steuerfreien Sterbegeldleistungen eine Vorteilsanrechnung vorgenommen. Eine Begleichung von Beerdigungskosten aus dem Nachlass führt ebenfalls nicht zu außergewöhnlichen Belastungen, da der Zufluss des Nachlassvermögens nicht der Einkommensteuer unterliegt. Ein Abzug bleibt danach möglich, wenn der Sterbegeldbezug seinerseits steuerpflichtig ist. Auch bei Krankheitskosten ist anerkannt, dass eine zugeflossene Ersatzleistung den Abzug gem. § 33 Abs. 1 EStG nicht ausschließt, wenn der Zufluss eine steuerpflichtige Einnahme auslöst.
Allerdings lässt der Senat die Revision zu. Dies ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowohl in Bezug auf die Steuerbefreiung des Sterbegeldes als auch die Abzugsfähigkeit von Beerdigungskosten aus zu versteuernden Sterbegeldern erforderlich.
FG Düsseldorf online
Die Klägerin war im Streitjahr 2017 als Geschäftsführerin tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Das Landesamt für Finanzen des Landes zahlte im September 2017 aufgrund des Ablebens der Mutter an die Klägerin ein Sterbegeld i.H.v. brutto 6.550 € aus, für das es Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse VI, Solidaritätszuschlag und Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung einbehielt. Ein Anspruch der Klägerin ergab sich aus § 23 Abs. 3 des Ländertarifvertrages (TV-L), da ihre Mutter bis zu ihrem Ableben als Landesbeschäftigte tätig war. Es erfolgte eine entsprechende elektronische Mitteilung an das Finanzamt.
In ihrer Steuererklärung für 2017 ließ die Klägerin das erhaltene Sterbegeld unberücksichtigt. Überdies begehrte sie den Abzug von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastungen. Das Finanzamt erhöhte die erklärten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit um das erhaltene Sterbegeld und berücksichtigte wegen des Sterbegeldes einen Freibetrag für Versorgungsbezüge i.H.v. 153 € und einen Pauschbetrag für Versorgungsbezüge i.H.v. 102 €. Die außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigte es erklärungsgemäß.
Die Klägerin legte Einspruch ein, mit dem sie begehrte, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erklärungsgemäß zu verringern. Das Finanzamt wies die Klägerin auf eine mögliche Verböserung des angefochtenen Bescheides hin, da nach seiner Ansicht die außergewöhnlichen Belastungen aufgrund des erhaltenen Sterbegeldes nicht zu berücksichtigen seien. Nachdem die Klägerin ihren Einspruch nicht zurücknahm, erließ die Behörde einen Änderungsbescheid, in dem es die Beerdigungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte.
Das FG gab der Klage im Hinblick auf die außergewöhnlichen Belastungen statt. Allerdings wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die mit dem Hauptantrag geltend gemachte Steuerbefreiung des § 3 Nr. 11 EStG greift nicht ein. Die Klägerin erzielte über den Bezug des Sterbegeldes gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit in Form von anderen Bezügen aus früheren Dienstleistungen. Dieser Bezug war nicht steuerfrei. Es handelt sich beim ausgezahlten Sterbegeld um Bezüge aus öffentlichen Mitteln. Eine Hilfsbedürftigkeit der Klägerin ließe sich ebenfalls begründen. Allerdings hat das Landesamt für Finanzen das Sterbegeld nicht "wegen" einer Hilfsbedürftigkeit der Klägerin ausgezahlt. Und eine Steuerbefreiung von Leistungen, die über einen konkreten Hilfsbedarf hinausgehen, ist nicht geboten.
Das Finanzamt hat jedoch die Aufwendungen der Klägerin i.H.v. 3.336 € zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Der Pauschbetrag gem. § 9a S. 1 Nr. 1 b) EStG i.H.v. 102 € führt nicht zu einer Minderung der außergewöhnlichen Belastungen. Anderes gilt für den Versorgungsfreibetrag. Dieser führt im Wege einer Vorteilsanrechnung i.H.d. steuerfreien Versorgungsfreibetrags i.H.v. 153 € zu einer Kürzung der außergewöhnlichen Belastungen. Der Sterbegeldbezug führt entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht insgesamt zu einer Vorteilsanrechnung.
Die Klägerin war durch die Beerdigungskosten wirtschaftlich endgültig belastet. Das Einkommen der Klägerin ist deshalb über den Abzug der übrigen Beerdigungskosten entsprechend zu mindern. Eine weitergehende Vorteilsanrechnung wäre in dieser Konstellation nicht sinnvoll. Sie dient dazu, eine steuerliche Doppelentlastung zu vermeiden. Eine solche könnte eintreten, wenn dem Steuerpflichtigen steuerfreie Ersatzleistungen zufließen, aus denen er dann Aufwendungen i.S.v. § 33 Abs. 1 EStG tätigt. Daran fehlt es im Streitfall, soweit das Sterbegeld den Versorgungsfreibetrag überstieg
Nach Auffassung des Senats hat die Rechtsprechung bisher nur bei steuerfreien Sterbegeldleistungen eine Vorteilsanrechnung vorgenommen. Eine Begleichung von Beerdigungskosten aus dem Nachlass führt ebenfalls nicht zu außergewöhnlichen Belastungen, da der Zufluss des Nachlassvermögens nicht der Einkommensteuer unterliegt. Ein Abzug bleibt danach möglich, wenn der Sterbegeldbezug seinerseits steuerpflichtig ist. Auch bei Krankheitskosten ist anerkannt, dass eine zugeflossene Ersatzleistung den Abzug gem. § 33 Abs. 1 EStG nicht ausschließt, wenn der Zufluss eine steuerpflichtige Einnahme auslöst.
Allerdings lässt der Senat die Revision zu. Dies ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowohl in Bezug auf die Steuerbefreiung des Sterbegeldes als auch die Abzugsfähigkeit von Beerdigungskosten aus zu versteuernden Sterbegeldern erforderlich.