Keine Aufteilung eines etappenweise fertig gestellten gemischt genutzten Gebäudes für Zwecke der Vorsteuerberichtigung
FG Rheinland-Pfalz v. 25.4.2019 - 6 K 1630/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hat einen Weinbau-Betrieb sowie einen Gewerbebetrieb Weinkommission und landwirtschaftliche Dienstleistungen. Die Vermietung zweier Ferienwohnungen wurde in den Streitjahren 2009 bis 2012 noch nicht ausgeübt. Seine landwirtschaftlichen Umsätze versteuerte der Kläger gem. § 24 UStG, die übrigen gem. § 20 UStG. Im Jahr 2006 erweiterte der Kläger sein Betriebsgebäude und errichtete ein gemischt genutztes Wohnhaus. Nach den Plänen befinden sich im Keller eine kleine abgeschlossene Wohnung für Erntehelfer, Labor, Büro, Archiv und Räume für die Weinkommission. Im Erdgeschoss befindet sich neben privaten Wohnräumen ein Empfangsraum. Im Obergeschoss sind neben weiteren privaten Wohnräumen zwei Ferienwohnungen untergebracht. Im Dezember 2008 waren Unter- und Erdgeschoss, sowie die Wohnräume im Obergeschoss fertig gestellt.
Der Kläger ordnete das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu und beantragte den Vorsteuerabzug aus den Baukosten, für die selbst genutzte Wohnung unter Berufung auf die Seeling-Rechtsprechung. Dem Weinbaubetrieb ordnete er nach dem Flächenschlüssel einen nicht abzugsfähigen Vorsteueranteil von 11,51% zu. Nach einer Betriebsprüfung war der Prüfer der Ansicht, dass für die Ermittlung des Vorsteuer-Berichtigungszeitraumes von der Errichtung in zwei Bauabschnitten auszugehen sei, wobei die beiden Ferienwohnungen dem zweiten Bauabschnitt zugeordnet wurden. Das Finanzamt änderte daraufhin die Umsatzsteuerfestsetzungen.
Der Kläger war der Ansicht, die Voraussetzungen des § 15a UStG für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs lägen nicht vor. Weder die absolute Grenze von 1.000 € je Kalenderjahr für das Berichtigungsvolumen, noch die Grenze von 10% seien überschritten (8,79%). Es sei auf das gesamte Wirtschaftsgut abzustellen und nicht auf Teile davon. Die vom Prüfer vorgenommene Aufteilung in Bauabschnitte sei nicht zulässig, da das Gebäude insgesamt dem Unternehmen zugeordnet worden sei (BFH-Urt. v. 28.9.2006 - V R 43/03). Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
das Finanzamt hat zu Unrecht die streitbefangenen Vorsteuerberichtigungen vorgenommen. Die Bagatellgrenzen des § 44 Abs. 2 UStDV sind nicht erreicht.
Der Senat legt für die Berechnung der Vorsteuerberichtigung entgegen der Regelung des Abschnitts 15a.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE nicht lediglich die entsprechend dem Baufortschritt bereits in Verwendung genommenen Gebäudeteile zugrunde, sondern das gesamte Gebäude, da er dieses - und nicht einzelne Gebäudeteile - als Berichtigungsobjekt ansieht. Die von der Verwaltung in Abschnitt 15a.3 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 UStAE geäußerte Rechtsauffassung bindet die Gerichte nicht; es handelt sich (lediglich) um eine norminterpretierende Äußerung. Rechtsprechung zu der Frage, was bei der teilweisen Nutzung eines Gebäudes nach Baufortschritt als Berichtigungsobjekt i.S.d. § 15a UStG anzusehen ist, gibt es - soweit ersichtlich - bislang nicht.
In der Literatur wird, soweit die Frage überhaupt thematisiert wird, lediglich auf die Verwaltungsauffassung Bezug genommen, ohne diese zu begründen. Der Senat konnte davon absehen, weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob die (vom Kläger jetzt bestrittenen) Feststellungen des Prüfers zum angeblichen Vorliegen zweier Bauabschnitte überhaupt vorliegen, da er schon grundsätzlich der apodiktisch in den Raum gestellten Theorie zum Baufortschritt nicht folgt. Unionsrechtlich ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Art. 184 bis 192 MwStSystRL geregelt. Art. 187 MwStSystRL regelt die Vorsteuerberichtigung bei Investitionsgütern. Gem. Art 189 lit. a) MwStSystRL können die Mitgliedsstaaten den Begriff des Investitionsguts selbst definieren. Deutschland hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Wenn für Zwecke der Vorsteueraufteilung die gesamten Herstellungskosten dem gesamten Gebäude zuzuordnen sind und sodann ein sachgerechter Schlüssel - hier der Flächenschlüssel - für die Aufteilung anzuwenden ist, so erscheint es konsequent und sachgerecht, für die Vorsteuerberichtigung ebenfalls auf die Herstellungskosten des gesamten Gebäudes abzustellen, zumal die Vorsteuerberichtigung ebenfalls aufgrund des Flächenschlüssels erfolgt. Da die Frage, ob ein Investitionsgut bei gestreckter Herstellung und Verwendung nach Bauabschnitten in mehrere Berichtigungsobjekte aufzusplitten ist, soweit ersichtlich bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wurde gem. § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO die Revision zugelassen.
Linkhinweis:
Justiz Rheinland-Pfalz
Der Kläger hat einen Weinbau-Betrieb sowie einen Gewerbebetrieb Weinkommission und landwirtschaftliche Dienstleistungen. Die Vermietung zweier Ferienwohnungen wurde in den Streitjahren 2009 bis 2012 noch nicht ausgeübt. Seine landwirtschaftlichen Umsätze versteuerte der Kläger gem. § 24 UStG, die übrigen gem. § 20 UStG. Im Jahr 2006 erweiterte der Kläger sein Betriebsgebäude und errichtete ein gemischt genutztes Wohnhaus. Nach den Plänen befinden sich im Keller eine kleine abgeschlossene Wohnung für Erntehelfer, Labor, Büro, Archiv und Räume für die Weinkommission. Im Erdgeschoss befindet sich neben privaten Wohnräumen ein Empfangsraum. Im Obergeschoss sind neben weiteren privaten Wohnräumen zwei Ferienwohnungen untergebracht. Im Dezember 2008 waren Unter- und Erdgeschoss, sowie die Wohnräume im Obergeschoss fertig gestellt.
Der Kläger ordnete das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu und beantragte den Vorsteuerabzug aus den Baukosten, für die selbst genutzte Wohnung unter Berufung auf die Seeling-Rechtsprechung. Dem Weinbaubetrieb ordnete er nach dem Flächenschlüssel einen nicht abzugsfähigen Vorsteueranteil von 11,51% zu. Nach einer Betriebsprüfung war der Prüfer der Ansicht, dass für die Ermittlung des Vorsteuer-Berichtigungszeitraumes von der Errichtung in zwei Bauabschnitten auszugehen sei, wobei die beiden Ferienwohnungen dem zweiten Bauabschnitt zugeordnet wurden. Das Finanzamt änderte daraufhin die Umsatzsteuerfestsetzungen.
Der Kläger war der Ansicht, die Voraussetzungen des § 15a UStG für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs lägen nicht vor. Weder die absolute Grenze von 1.000 € je Kalenderjahr für das Berichtigungsvolumen, noch die Grenze von 10% seien überschritten (8,79%). Es sei auf das gesamte Wirtschaftsgut abzustellen und nicht auf Teile davon. Die vom Prüfer vorgenommene Aufteilung in Bauabschnitte sei nicht zulässig, da das Gebäude insgesamt dem Unternehmen zugeordnet worden sei (BFH-Urt. v. 28.9.2006 - V R 43/03). Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
das Finanzamt hat zu Unrecht die streitbefangenen Vorsteuerberichtigungen vorgenommen. Die Bagatellgrenzen des § 44 Abs. 2 UStDV sind nicht erreicht.
Der Senat legt für die Berechnung der Vorsteuerberichtigung entgegen der Regelung des Abschnitts 15a.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE nicht lediglich die entsprechend dem Baufortschritt bereits in Verwendung genommenen Gebäudeteile zugrunde, sondern das gesamte Gebäude, da er dieses - und nicht einzelne Gebäudeteile - als Berichtigungsobjekt ansieht. Die von der Verwaltung in Abschnitt 15a.3 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 UStAE geäußerte Rechtsauffassung bindet die Gerichte nicht; es handelt sich (lediglich) um eine norminterpretierende Äußerung. Rechtsprechung zu der Frage, was bei der teilweisen Nutzung eines Gebäudes nach Baufortschritt als Berichtigungsobjekt i.S.d. § 15a UStG anzusehen ist, gibt es - soweit ersichtlich - bislang nicht.
In der Literatur wird, soweit die Frage überhaupt thematisiert wird, lediglich auf die Verwaltungsauffassung Bezug genommen, ohne diese zu begründen. Der Senat konnte davon absehen, weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob die (vom Kläger jetzt bestrittenen) Feststellungen des Prüfers zum angeblichen Vorliegen zweier Bauabschnitte überhaupt vorliegen, da er schon grundsätzlich der apodiktisch in den Raum gestellten Theorie zum Baufortschritt nicht folgt. Unionsrechtlich ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Art. 184 bis 192 MwStSystRL geregelt. Art. 187 MwStSystRL regelt die Vorsteuerberichtigung bei Investitionsgütern. Gem. Art 189 lit. a) MwStSystRL können die Mitgliedsstaaten den Begriff des Investitionsguts selbst definieren. Deutschland hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Wenn für Zwecke der Vorsteueraufteilung die gesamten Herstellungskosten dem gesamten Gebäude zuzuordnen sind und sodann ein sachgerechter Schlüssel - hier der Flächenschlüssel - für die Aufteilung anzuwenden ist, so erscheint es konsequent und sachgerecht, für die Vorsteuerberichtigung ebenfalls auf die Herstellungskosten des gesamten Gebäudes abzustellen, zumal die Vorsteuerberichtigung ebenfalls aufgrund des Flächenschlüssels erfolgt. Da die Frage, ob ein Investitionsgut bei gestreckter Herstellung und Verwendung nach Bauabschnitten in mehrere Berichtigungsobjekte aufzusplitten ist, soweit ersichtlich bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wurde gem. § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO die Revision zugelassen.
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