Keine Berufung auf Treu und Glauben nach unterlassenem Untätigkeitseinspruch oder Antrag nach § 171 Abs. 3 AO
BFH 22.1.2013, IX R 1/12Die Beteiligten streiten über einen nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassenen Einkommensteuerbescheid. Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Im Streitjahr (1998) erzielten sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Sie reichten am 30.12.2004 die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein. Die Festsetzungsfrist lief für das Streitjahr am 31.12.2005 ab.
Das Finanzamt erließ im August 2006 einen Einkommensteuerbescheid und wich darin bei der Festsetzung der Einkommensteuer in einigen Punkten von der Erklärung der Kläger ab. Der Steuerbescheid führte im Abrechnungsteil zu einer Steuererstattung zugunsten der Kläger. Die Kläger machen mit ihrer Klage höhere negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt machte u.a. geltend, dass der Einkommensteuerbescheid wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr habe ergehen und deshalb - schon aus diesem Grund - auch nicht mehr habe geändert werden dürfen.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr zu Recht schon deshalb abgelehnt, weil Festsetzungsverjährung eingetreten war. Entsprechende Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind nach § 47 AO durch Verjährung erloschen.
In Bezug auf das Streitjahr war bereits Festsetzungsverjährung eingetreten, als das Finanzamt im August 2006 einen Einkommensteuerbescheid erließ. Da die Kläger für das Streitjahr zunächst keine Steuererklärung abgegeben hatten, endete die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO am 31.12.2005. Gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist nämlich spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist - im Streitfall also mit Ablauf des Jahres 2001. Eine Ablaufhemmung ist nicht eingetreten; die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3 AO liegen nicht vor.
Danach haben Finanzamt und FG es zutreffend abgelehnt, die Einkommensteuer abweichend festzusetzen. Diese Ablehnung verstößt nicht gegen Treu und Glauben, auch wenn es dem Finanzamt noch zeitlich möglich gewesen wäre, einen Einkommensteuerbescheid zu erlassen. Die Kläger können sich nicht auf Treu und Glauben berufen, weil sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist weder Einspruch eingelegt noch einen Antrag nach § 171 Abs. 3 AO gestellt haben und das Finanzamt jedenfalls keinen Vertrauenstatbestand gesetzt hat.
Die hätten Kläger hätten also einen Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO einlegen müssen, um die Wirkungen des § 171 Abs. 3a AO zu erreichen. Tun sie dies nicht, können sie sich nicht auf Treu und Glauben berufen, um dann so gestellt zu werden, wie sie stünden, wenn sie Einspruch eingelegt hätten. Alternativ hätten die Kläger in der Zeit nach Einreichung ihrer Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist auch einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO stellen können (und müssen), um die gleichen Wirkungen wie ein Einspruch zu erreichen. Einen derartigen Antrag haben die Kläger vor Ablauf der Festsetzungsfrist jedoch nicht - auch nicht konkludent oder stillschweigend - gestellt.
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