Keine coronabedingte Aufhebung von bereits vor dem 19.03.2020 erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen
BFH v. 30.7.2020 - VII B 73/20 (AdV)
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist in der EU ansässig und betreibt Seeschiffe (Container- und Massegutschiffe). Sie verchartert dabei u.a. Transportkapazitäten der in ihrem Eigentum stehenden Schiffe. Aufgrund erheblicher Steuerschulden, die bereits im Jahr 2019 festgesetzt worden waren, richtete der betroffene EU-Mitgliedstaat ein Vollstreckungsersuchen an Deutschland. Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin im Februar 2020 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen mehrere deutsche Banken, bei denen die Antragstellerin Konten unterhielt. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin, und zwar u.a. mit dem Argument, aufgrund ihrer durch die Corona-Pandemie bedingten erheblichen Einnahmeausfälle müsse entsprechend dem BMF-Schreiben vom 19.3.2020 von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden.
Das FG setzte die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus und hob sie hinsichtlich der Pfändung mit Wirkung ab Leistung einer Sicherheit in Höhe von 450.000 € bis zum selben Zeitpunkt auf. Es stützte seine Entscheidung darauf, dass das Finanzamt in den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen das Land Hessen als Gläubiger der Forderung angegeben habe und den tatsächlichen Inhaber der vollstreckten Steuerforderungen, den EU-Mitgliedstaat, nicht benannt habe, was unter Berücksichtigung der Entscheidung des FG Münster vom 21.1.2020 - 11 V 3213/19 AO Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen begründe. Im Übrigen liege kein weiterer offensichtlicher Verstoß gegen Vollstreckungsvorschriften vor, weshalb AdV nur gegen Sicherheitsleistung mit Wirkung ex nunc gewährt werden könne.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Finanzamtes hob der BFH den Beschluss auf und lehnte den Antrag ab.
Gründe:
Bei der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung anhand der präsenten Akten bestehen keine Zweifel daran, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen rechtmäßig sind. Die Vollziehung hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
Im maßgeblichen BMF-Schreiben ist von einem "Absehen" von Vollstreckungsmaßnahmen die Rede. Das deutet darauf hin, dass sich die Verschonungsregelung nur auf solche Vollstreckungsmaßnahmen bezieht, die noch nicht durchgeführt worden sind. Dem Wortlaut des Schreibens lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass bereits vor dem 19.3.2020 ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen - wie von der Antragstellerin begehrt - wieder aufgehoben oder rückabgewickelt werden müssten.
Die Antragstellerin war nach ihrem eigenen Vortrag bereits zum 31.12.2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, überschuldet, hat seither zusätzliche, massive Einnahmeausfälle zu verzeichnen und will mit dem Geld nach eigenen Angaben Schiffshypothekendarlehen bei den kreditgebenden Banken und andere Forderungen bedienen. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass zu der Annahme, dass es in ihrem Fall um einen bloßen Zahlungsaufschub oder die Verhinderung einer vermeidbaren Insolvenz geht, sondern dass das antragsgemäße Gewähren einer AdV lediglich einzelne Gläubiger oder die Anteilseigner bzw. Gesellschafter begünstigen würde und zu einem endgültigen Forderungsausfall des Fiskus --hier dem des ersuchenden Staats-- und damit letztlich zu einem Erlass (§ 227 AO) führen würde.
Die vorgenannten Erwägungen gelten auch für inländische Sachverhalte, in denen der Vollstreckungsschuldner in Deutschland ansässig und mit der Zahlung von deutschen Steuern säumig geworden ist. Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO.
BFH PM Nr. 38 vom 3.9.2020
Die Antragstellerin ist in der EU ansässig und betreibt Seeschiffe (Container- und Massegutschiffe). Sie verchartert dabei u.a. Transportkapazitäten der in ihrem Eigentum stehenden Schiffe. Aufgrund erheblicher Steuerschulden, die bereits im Jahr 2019 festgesetzt worden waren, richtete der betroffene EU-Mitgliedstaat ein Vollstreckungsersuchen an Deutschland. Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin im Februar 2020 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegen mehrere deutsche Banken, bei denen die Antragstellerin Konten unterhielt. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin, und zwar u.a. mit dem Argument, aufgrund ihrer durch die Corona-Pandemie bedingten erheblichen Einnahmeausfälle müsse entsprechend dem BMF-Schreiben vom 19.3.2020 von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden.
Das FG setzte die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus und hob sie hinsichtlich der Pfändung mit Wirkung ab Leistung einer Sicherheit in Höhe von 450.000 € bis zum selben Zeitpunkt auf. Es stützte seine Entscheidung darauf, dass das Finanzamt in den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen das Land Hessen als Gläubiger der Forderung angegeben habe und den tatsächlichen Inhaber der vollstreckten Steuerforderungen, den EU-Mitgliedstaat, nicht benannt habe, was unter Berücksichtigung der Entscheidung des FG Münster vom 21.1.2020 - 11 V 3213/19 AO Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen begründe. Im Übrigen liege kein weiterer offensichtlicher Verstoß gegen Vollstreckungsvorschriften vor, weshalb AdV nur gegen Sicherheitsleistung mit Wirkung ex nunc gewährt werden könne.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Finanzamtes hob der BFH den Beschluss auf und lehnte den Antrag ab.
Gründe:
Bei der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung anhand der präsenten Akten bestehen keine Zweifel daran, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen rechtmäßig sind. Die Vollziehung hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.
Im maßgeblichen BMF-Schreiben ist von einem "Absehen" von Vollstreckungsmaßnahmen die Rede. Das deutet darauf hin, dass sich die Verschonungsregelung nur auf solche Vollstreckungsmaßnahmen bezieht, die noch nicht durchgeführt worden sind. Dem Wortlaut des Schreibens lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass bereits vor dem 19.3.2020 ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen - wie von der Antragstellerin begehrt - wieder aufgehoben oder rückabgewickelt werden müssten.
Die Antragstellerin war nach ihrem eigenen Vortrag bereits zum 31.12.2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, überschuldet, hat seither zusätzliche, massive Einnahmeausfälle zu verzeichnen und will mit dem Geld nach eigenen Angaben Schiffshypothekendarlehen bei den kreditgebenden Banken und andere Forderungen bedienen. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass zu der Annahme, dass es in ihrem Fall um einen bloßen Zahlungsaufschub oder die Verhinderung einer vermeidbaren Insolvenz geht, sondern dass das antragsgemäße Gewähren einer AdV lediglich einzelne Gläubiger oder die Anteilseigner bzw. Gesellschafter begünstigen würde und zu einem endgültigen Forderungsausfall des Fiskus --hier dem des ersuchenden Staats-- und damit letztlich zu einem Erlass (§ 227 AO) führen würde.
Die vorgenannten Erwägungen gelten auch für inländische Sachverhalte, in denen der Vollstreckungsschuldner in Deutschland ansässig und mit der Zahlung von deutschen Steuern säumig geworden ist. Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO.