Keine Durchschnittssatzbesteuerung bei entgeltlichem Verzicht auf ein vertragliches Lieferrecht
Kurzbesprechung
BFH v. 23.8.2023 - XI R 27/21
UStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 15 Abs 1 S 1 Nr. 1 S 1, § 24 Abs 1 S 1 Nr. 3, § 24 Abs 1 S 4
EGRL 112/2006 Art 295 Abs 1 Nr. 4, 112/2006 Art 295 Abs 1 Nr. 5, 112/2006 Art 300 Nr. 1, 112/2006 Art 300 Nr. 2, 112/2006 Art 302, 112/2006 Art 168 Buchst a
Streitig war, ob ein entgeltlicher Verzicht auf einen vertraglichen Anspruch auf Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ebenfalls der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG unterliegt.
Diese Frage ist bislang höchstrichterlich offen geblieben. Der BFH hat nun entschieden, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Lieferrecht durch Zustimmung des Land- oder Forstwirts zur vorzeitigen Auflösung des Liefervertrags nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung fällt.
Fällt ein bestimmter Umsatz unter eine im Unionsrecht vorgesehene Steuerbefreiung, so ist die vertragliche Auflösung des diesem Umsatz zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses gegen Abfindung ebenfalls als unter diese Befreiung fallend anzusehen.
Charakteristisch für die umsatzsteuerrechtliche Gleichbehandlung des Verzichts auf einen Umsatz ("actus contrarius") mit dem Umsatz ist, dass die jeweilige Leistung (als erster Umsatz) und der darauf bezogene Verzicht (als zweiter, gegenläufiger Umsatz) jeweils im Rahmen desselben Zweipersonenverhältnisses zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erfolgen. Dabei zahlt zum Beispiel der ursprünglich Leistende im Rahmen eines zweiten Umsatzes, damit er die Dispositionsbefugnis über einen Gegenstand oder ein Recht wiedererlangt. Wie der Streitfall kann aber auch der Abnehmer eine Zahlung leisten, um sich von seiner Abnahmeverpflichtung zu befreien.
Die Notwendigkeit der Gleichbehandlung besteht jedoch nicht, wenn entweder die Einräumung des Rechts nicht steuerbar war oder die im Verzicht liegende Leistung nicht dem Zweck der Steuerbefreiung.
Im Streitfall war keine Gleichbehandlung geboten; denn § 24 UStG ist eine Vereinfachungsregelung, die eng auszulegen ist. Der von Art. 295 ff. MwStSystRL bezweckte Ausgleich der Belastung der von einem Landwirt bezogenen Eingangsleistungen mit Umsatzsteuer wird nach der Systematik des Pauschalierungsverfahrens erst dann gewährt, wenn er landwirtschaftliche Erzeugnisse liefert oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringt. Andere Umsätze, die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt, unterliegen hingegen dem Regelsteuersatz. Der Verzicht auf ein Lieferrecht ist weder eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne des § 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL, da sie nicht zu einer landwirtschaftlichen Erzeugung beiträgt, noch werden durch den Verzicht landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne des § 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL geliefert, da hierfür keine Gegenstände im Rahmen der in Anhang VII aufgeführten Tätigkeiten vom landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts erzeugt werden.
Da das FG nicht festgestellt hatte, ob in Zusammenhang mit der regelbesteuerten Verzichtsleistung der Steuerpflichtigen abziehbare Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, wurde der Streitfall an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 15 Abs 1 S 1 Nr. 1 S 1, § 24 Abs 1 S 1 Nr. 3, § 24 Abs 1 S 4
EGRL 112/2006 Art 295 Abs 1 Nr. 4, 112/2006 Art 295 Abs 1 Nr. 5, 112/2006 Art 300 Nr. 1, 112/2006 Art 300 Nr. 2, 112/2006 Art 302, 112/2006 Art 168 Buchst a
Streitig war, ob ein entgeltlicher Verzicht auf einen vertraglichen Anspruch auf Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ebenfalls der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG unterliegt.
Diese Frage ist bislang höchstrichterlich offen geblieben. Der BFH hat nun entschieden, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Lieferrecht durch Zustimmung des Land- oder Forstwirts zur vorzeitigen Auflösung des Liefervertrags nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung fällt.
Fällt ein bestimmter Umsatz unter eine im Unionsrecht vorgesehene Steuerbefreiung, so ist die vertragliche Auflösung des diesem Umsatz zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses gegen Abfindung ebenfalls als unter diese Befreiung fallend anzusehen.
Charakteristisch für die umsatzsteuerrechtliche Gleichbehandlung des Verzichts auf einen Umsatz ("actus contrarius") mit dem Umsatz ist, dass die jeweilige Leistung (als erster Umsatz) und der darauf bezogene Verzicht (als zweiter, gegenläufiger Umsatz) jeweils im Rahmen desselben Zweipersonenverhältnisses zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erfolgen. Dabei zahlt zum Beispiel der ursprünglich Leistende im Rahmen eines zweiten Umsatzes, damit er die Dispositionsbefugnis über einen Gegenstand oder ein Recht wiedererlangt. Wie der Streitfall kann aber auch der Abnehmer eine Zahlung leisten, um sich von seiner Abnahmeverpflichtung zu befreien.
Die Notwendigkeit der Gleichbehandlung besteht jedoch nicht, wenn entweder die Einräumung des Rechts nicht steuerbar war oder die im Verzicht liegende Leistung nicht dem Zweck der Steuerbefreiung.
Im Streitfall war keine Gleichbehandlung geboten; denn § 24 UStG ist eine Vereinfachungsregelung, die eng auszulegen ist. Der von Art. 295 ff. MwStSystRL bezweckte Ausgleich der Belastung der von einem Landwirt bezogenen Eingangsleistungen mit Umsatzsteuer wird nach der Systematik des Pauschalierungsverfahrens erst dann gewährt, wenn er landwirtschaftliche Erzeugnisse liefert oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringt. Andere Umsätze, die der Pauschallandwirt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs tätigt, unterliegen hingegen dem Regelsteuersatz. Der Verzicht auf ein Lieferrecht ist weder eine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne des § 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL, da sie nicht zu einer landwirtschaftlichen Erzeugung beiträgt, noch werden durch den Verzicht landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne des § 24 UStG, Art. 295 MwStSystRL geliefert, da hierfür keine Gegenstände im Rahmen der in Anhang VII aufgeführten Tätigkeiten vom landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts erzeugt werden.
Da das FG nicht festgestellt hatte, ob in Zusammenhang mit der regelbesteuerten Verzichtsleistung der Steuerpflichtigen abziehbare Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen sind, wurde der Streitfall an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen.