Keine einschränkende Auslegung des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG
BFH v. 11.7.2018 - I R 30/16Die Klägerin ist eine GmbH, deren Anteilseignerin die Stadt A ist. Gegenstand des Unternehmens sind Versorgungsbetriebe und Bäder. Am 27.7.2010 hatte die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Ausschüttung aus der Kapitalrücklage beschlossen. Die Klägerin zahlte den Betrag am 28.7.2010 an A aus, ohne eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG zu erstellen. Zwar ergab sich aus den Bilanzerläuterungen, dass eine Ausschüttung erfolgt sein musste, die beim Finanzamt eingegangene Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos sowie die mit der Körperschaftsteuererklärung für 2010 eingereichte Anlage WA enthielten aber keine Hinweise auf eine Ausschüttung.
Infolgedessen erließ das Finanzamt einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2010 nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG. Ende 2012 ging beim Finanzamt eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos ein, in der die Höhe des steuerlichen Einlagekontos, nach Verminderung um im Wirtschaftsjahr erbrachte Leistungen ausgewiesen und die Änderung des Feststellungsbescheids beantragt wurde. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt allerdings ab.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Innstanzen erfolglos.
Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Auffassung vertreten, dass die zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Feststellungsbescheids über das steuerliche Einlagekonto fehlende Steuerbescheinigung über die Ausschüttung aus der Kapitalrücklage nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG zu einer Verwendungsfestschreibung auf Null EUR führt und die Norm insoweit keiner einschränkenden Auslegung zugänglich ist.
Nach § 27 Abs. 3 KStG hat eine Kapitalgesellschaft im Fall von Abgängen aus dem steuerlichen Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG nach amtlichem Muster ihrem Anteilseigner als Adressat der Erklärung namentlich und unter Angabe seiner Wohnanschrift die Höhe sowie den Zahlungstag der Leistungen, die das steuerliche Einlagekonto gemindert haben, zu bescheinigen. Wird dem nicht oder nur unzutreffend genügt, unterscheidet § 27 Abs. 5 KStG danach, ob die Kürzung des Einlagebetrags überhöht, zu niedrig oder - wie hier - gar nicht bescheinigt wurde.
In ersterem Fall eröffnet § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG zwar die Möglichkeit, die Steuerbescheinigung zu berichtigen; erweist sich dies jedoch beispielsweise mit Rücksicht auf die Verhältnisse bei Publikumsgesellschaften als nicht praxistauglich, sieht § 27 Abs. 3 Satz 4 KStG eine verschuldensunabhängige Haftung der Kapitalgesellschaft für die (aufgrund der überhöht bescheinigten Minderung des Einlagekontos) zu Unrecht nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer mit der Folge vor, dass auch im Falle der Haftungsinanspruchnahme die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos anzupassen ist (§ 27 Abs. 3 Satz 6 KStG).
Wird der Abgang aus dem Einlagekonto zu niedrig bescheinigt, schreibt § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG die Verwendung der Eigenkapitalteile gemäß der Bescheinigung fest, so dass diese zugleich der Feststellung des Einlagekontos zugrunde zu legen ist; eine Berichtigung der Bescheinigung ist nach § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG ausgeschlossen. Ergänzend hierzu gilt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG für den (im Streitfall einschlägigen) Fall, dass bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung nach § 27 Abs. 2 KStG keine Steuerbescheinigung gemäß § 27 Abs. 3 KStG erteilt worden ist, der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit Null € bescheinigt. Auch in diesem Fall ist nach § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG eine Korrektur der Steuerbescheinigung (nämlich in Form ihrer erstmaligen Erteilung) ausgeschlossen.
Da die Klägerin bis zum Tag der Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung des Einlagekontos zum 31.12. 2010 keine Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG erteilt hatte, war nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG von einer Minderung des Einlagekontos aufgrund der Ausschüttungen des Jahres 2010 um Null € auszugehen und die hiermit verbundene Verwendungsfiktion (Gewinnausschüttung) der Feststellung des Einlagekontos zum Ende des Jahres 2010 zugrunde zu legen. Von dieser Rechtsfolge kann angesichts des eindeutigen Normwortlauts nicht im Wege der teleologischen Reduktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG abgesehen werden. Denn mit der Neufassung des § 27 Abs. 5 KStG hat der Gesetzgeber insoweit eindeutig seinen Willen zu erkennen gegeben, dass die Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitig oder gar nicht erteilten Steuerbescheinigung die materiell-rechtliche Berechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG überlagern sollen.
Gegen die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG bestehen nach Auffassung des BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s. BFH v. 11.2. 2015 - I R 3/14, BStBl II 2015, 816).
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