Keine Festsetzung gegenüber dem Bedachten nach Entrichtung der Schenkungsteuer durch den Schenker und nachträglicher Aufhebung des Steuerbescheids
FG Düsseldorf 30.11.2016, 4 K 3976/15 ErbDer Kläger ist der Sohn des mittlerweile verstorbenen Schenkers A. Im Dezember 2006 hatte der A. dem Kläger unentgeltlich 24,5 % der Anteile an der B-GmbH im Nennwert von 122.500 € übertragen. In dem Vertrag wurde außerdem geregelt, dass A. die Schenkungsteuer tragen solle. Nach Abgabe einer Schenkungsteuererklärung durch A. erließ das Finanzamt diesem gegenüber einen Schenkungsteuerbescheid über 99.550 €. Der A. bezahlte die festgesetzte Schenkungsteuer in voller Höhe.
Darüber hinaus übertrug der A. dem Kläger im November 2007 unentgeltlich weitere 12,94 % der Anteile an der B-GmbH im Nennwert von 64.700 €. Anfallende Schenkungsteuer trage der Kläger selbst. Eine Schenkungsteuererklärung forderte das Finanzamt zunächst nicht an und zog zunächst auch sonst keine steuerlichen Folgen aus diesem Sachverhalt. Kurz darauf versuchte der A. die an den Kläger übertragenen Anteile wegen groben Undanks und aufgrund vertraglicher Regelungen zurückzuerhalten. Zur Beendigung der Streitigkeiten schlossen beide Seiten im Juli 2009 einen schiedsgerichtlichen Vergleich.
Die Gesellschafterversammlung der B-GmbH beschloss darin eine disquotale Gewinnausschüttung an den Kläger i.H.v. 1,25 Mio. € für den Zeitraum Januar 2007 bis Ende 2008. Der Kläger trat daraufhin sämtliche von ihm gehaltenen Anteile an der B-GmbH "zum Zwecke und in Erfüllung seiner gesetzlichen Rückabwicklungspflichten aus den Verträgen aus Dezember 2006 und November 2007" an A. ab. Im Dezember 2009 informierte A. das Finanzamt über die Schiedsvereinbarung und beantragte die Aufhebung des Bescheids aus Juli 2008. Im April 2013 hob die Behörde den Schenkungsteuerbescheid gegen A. auf und erstattete diesem die von ihm gezahlte Schenkungsteuer. Außerdem setzte es im Dezember 2013 gegenüber dem Kläger als Nießbraucher der Erwerbe aus den Schenkungen Schenkungsteuer fest.
Der Kläger war der Ansicht, die ursprüngliche Steuerschuld sei als Gesamtschuld durch Zahlung des A. erloschen. Schließlich sei im Hinblick auf beide Schenkungen Verjährung mit Ablauf des Jahres 2011 eingetreten. Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde im Hinblick auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Für die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger gab es keine Rechtsgrundlage mehr. Denn mit der Zahlung der Schenkungsteuer durch A. war die Steuer auch gegenüber dem Kläger erloschen und lebte mit der Aufhebung des gegenüber A. erlassenen Schenkungsteuerbescheids und der Erstattung des ursprünglich gezahlten Betrags dem Kläger gegenüber nicht wieder auf.
Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt nach § 44 Abs. 2 S. 1 AO auch für die übrigen Schuldner. Andere Tatsachen wirken gem. § 44 Abs. 2 S. 3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Entrichtet der Bedachte die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese gem. § 47 i.V.m. § 44 Abs. 2 S. 1 AO auch mit Wirkung gegenüber dem Schenker. Sie kann daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden.
Das gilt auch für den vorliegenden umgekehrten Fall. Denn als Schenker und Erwerber sowohl der A. als auch der Kläger Steuerschuldner gem. § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG. Sie waren auch Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 S. 1 AO, weil sie nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schuldeten. Mit Zahlung der zunächst ihm gegenüber festgesetzten Schenkungsteuer durch A. war die Steuer auch dem Kläger gegenüber erloschen. Es führte auch zu keinem anderen Ergebnis, dass der Beklagte den Bescheid über den Erwerb aus der Schenkung aus Dezember 2006 aufgehoben und den von A. gezahlten Betrag an diesen erstattet hatte.
Die Steuerfestsetzung war gem. § 169 Abs. 1 S. 1 AO nicht mehr zulässig, da die Festsetzungsfrist zum Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses des Steuerbescheides im Dezember 2013 bereits abgelaufen war. Die Festsetzungsfrist endete gem. § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des Jahres 2011. Anders als das Finanzamt meinte, fand im vorliegenden Fall nicht die Verjährungsvorschrift des § 175 Abs. 1 S. 2 AO Anwendung, wonach bei Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt, beginnt.
Zwar spricht sich der BFH grundsätzlich für die Anwendung der Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO auch in den Fällen des erstmaligen Erlasses von Steuerbescheiden aus (Urt. v. 19.8.2003, Az.: VIII R 67/02; Urt. v. 16.6.2015, Az.: IX R 30/14. Allerdings musste er noch nicht die Frage beantworten, ob das auch gilt, wenn die reguläre Festsetzungsfrist für den Erlass des Erstbescheides bereits abgelaufen ist und sich die weitergehende Frage stellt, ob auch § 175 Abs. 1 S. 2 AO beim erstmaligen Erlass eines Steuerbescheides anwendbar sein kann. Hiergegen spricht der Sinn und Zweck der Vorschrift, der eine Umsetzung der durch die Rückwirkung ausgelösten Korrekturpflicht ermöglichen soll.
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