19.10.2023

Keine Geltung der KonsVerLUXV für das DBA-Luxemburg 2012 - Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn eines grenzüberschreitend tätigen Fahrers von Linienbussen

1. Die KonsVerLUXV gilt nur für das DBA-Luxemburg 1958/2009, nicht aber auch für das DBA-Luxemburg 2012.
2. Die Regelung in Nr. 4 Buchst. a der Konsultationsvereinbarung zwischen den Finanzbehörden Deutschlands und Luxemburgs vom 07.09.2011, nach der Arbeitslohn, der auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit teilweise in dem Vertragsstaat ausgeübt hat, in dem der Arbeitgeber des Berufskraftfahrers seinen Wohnsitz hat, und teilweise in dem Vertragsstaat, in dem der Berufskraftfahrer seinen Wohnsitz hat, "unabhängig von der jeweiligen Verweildauer" zu gleichen Teilen auf den Ansässigkeitsstaat des Berufskraftfahrers und auf den Wohnsitzstaat des Arbeitgebers aufgeteilt wird, verstößt gegen den Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Luxemburg 2012 und ist daher für dessen Auslegung nicht maßgeblich.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.6.2023 - I R 43/20

DBA LUX 2012 Art 14 Abs 1 S 1
KonsVerLUXV § 1, § 7 Abs 2 S 1 Nr. 1
AO § 162 Abs 1


Der Steuerpflichtige war aufgrund seines inländischen Wohnsitzes in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtig und unterlag daher mit allen Einkünften der Einkommensteuer (§ 1 Abs. 1 EStG). Auf die von ihm erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) findet Art. 14 Abs. 1 des DBA-Luxemburg 2012 Anwendung. Danach können vorbehaltlich der Art. 15 bis 19 des Abkommens Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. In dem letztgenannten Fall wird die Doppelbesteuerung bei in Deutschland ansässigen Personen durch Freistellung der Löhne von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden (Art. 22 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012).

Bei der Bestimmung des Tätigkeitsstaats im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 kommt es nach dem eindeutigen Abkommenswortlaut allein auf den Ort der Ausübung der nichtselbständigen Tätigkeit an. Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort die nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, ist auf den Arbeitsort abzustellen. Dieser befindet sich dort, wo der Arbeitnehmer sich zur Ausübung seiner Tätigkeit tatsächlich aufhält; ausschlaggebend hierfür ist seine physische Anwesenheit im Tätigkeitsstaat.

Für grenzüberschreitend tätige Berufskraftfahrer, deren Arbeitsort dort ist, wo sie sich mit den ihnen anvertrauten Fahrzeugen jeweils physisch aufhalten, folgt hieraus, dass das Arbeitsentgelt aufzuteilen ist; das gilt auch für den Fall, dass der Kraftfahrer an einem Arbeitstag nur stundenweise in einem Staat tätig geworden ist.

Das FG hatte die zwischen den Beteiligten streitigen Arbeitstage, an denen der Steuerpflichtige sowohl in Deutschland als auch Luxemburg tätig war (grenzüberschreitende Linienfahrten), im Ergebnis im Schätzungswege hälftig geteilt. Dies ist nach Auffassung des BFH jedoch nicht zutreffend.

Der BFH hält es für nicht nachvollziehbar, weshalb die vom FG vorgenommene hälftige Aufteilung der Arbeitszeiten näher an der Realität liegen sollte, als die vom Steuerpflichtigen vorgenommene Ermittlung der nach Dienstplänen beziehungsweise nach der jeweils gefahrenen Buslinie planmäßig in Deutschland gefahrenen Minuten. Die vorgelegten Unterlagen sind als Schätzungsgrundlage keineswegs ungeeignet. Vielmehr ist es Aufgabe des FG, die vorgelegten Unterlagen ‑ jedenfalls stichprobenweise ‑ auf ihre Plausibilität zu prüfen und gegebenenfalls auf ihrer Grundlage eine Schätzung vorzunehmen. Entsprechend hat der BFH den Streitfall an die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsermittlung und erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

An diesem Ergebnis ändern weder § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KonsVerLUXV noch die diesem zugrunde liegende Konsultationsvereinbarung zwischen den Finanzverwaltungen der beiden Vertragsstaaten etwas.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KonsVerLUXV wird Arbeitsentgelt, das auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer, der Lokomotivführer oder das Begleitpersonal seine Tätigkeit teilweise in dem Vertragsstaat ausgeübt hat, in dem der Arbeitgeber des Berufskraftfahrers, des Lokomotivführers oder des Begleitpersonals seinen Wohnsitz hat, und teilweise in seinem Ansässigkeitsstaat, unabhängig von der jeweiligen Verweildauer zu gleichen Teilen auf den Ansässigkeitsstaat des Berufskraftfahrers, des Lokomotivführers oder des Begleitpersonals und auf den Wohnsitzstaat des Arbeitgebers aufgeteilt.

Die Regelung ist jedoch bereits aufgrund des eigenen Geltungsanspruchs der Verordnung nicht auf das im Streitfall maßgebliche DBA-Luxemburg 2012 anwendbar, da sich die Verordnung nicht auf das DBA-Luxemburg 2012 erstreckt.

Die von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KonsVerLUXV übernommene, zwischen den Finanzverwaltungen der beiden Vertragsstaaten geschlossene Konsultationsvereinbarung vom 07.09.2011 (Verständigungsvereinbarung zum Abkommen vom 23.08.1958 in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15.06.1973 und des Änderungsprotokolls vom 11.12.2009 zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen betreffend die Besteuerung der Löhne von Berufskraftfahrern, Lokomotivführern und Begleitpersonal, die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig und für ein in dem anderen Vertragsstaat ansässiges Unternehmen tätig sind, BStBl I 2011, 850) taugt ebenfalls nicht als Rechtsgrundlage für eine vom jeweiligen Ort der Arbeitsausübung unabhängige, pauschale hälftige Aufteilung der Besteuerungsrechte.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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