Keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG bei gänzlich fehlender Übereignung oder Einbringung von Gegenständen des Unternehmens
BFH 21.5.2014, V R 20/13Der Kläger betrieb bis Ende April 2001 ein Ingenieurbüro als Einzelunternehmen. Im Zusammenhang mit seiner Ingenieurtätigkeit entwickelte er eine Verseilmaschine, die er er von einem Fremdunternehmen fertigen, montieren und in Betrieb nehmen ließ. Die in der empfangenen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer machte der Kläger im Streitjahr 2001 als Vorsteuer geltend. Mit Ablauf des 30.4.2001 stellte der Kläger seine Ingenieurtätigkeit im Rahmen seines Einzelunternehmens ein. Ab dem 1.5.2001 setzte die zuvor gegründete F-KG diese bisher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit fort. An der F-KG war der Kläger als Komplementär beteiligt.
Die bisher dem (Einzel-)Unternehmen zugeordnete Verseilmaschine und Büroeinrichtung übertrug der Kläger nicht in das Gesamthandsvermögen der F-KG. Er überließ diese Gegenstände der Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung. In der Umsatzsteuererklärung 2001 erfasste er keine Umsätze im Zusammenhang mit der Überlassung der Verseilmaschine und Büroeinrichtung an die F-KG. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung beim Kläger ging das Finanzamt davon aus, die unentgeltliche Überlassung der Gegenstände an die F-KG verwirkliche den Tatbestand einer umsatzsteuerrechtlichen Entnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG.
Diese Entnahmen seien gem. § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich mit den (ertragsteuerlichen) Buchwerten in der Aufgabebilanz des Einzelunternehmens zu bemessen. Für die Verseilmaschine müsse dieser Wert um einen erhaltenen Zuschuss sowie die vorgenommene Sonderabschreibung erhöht werden. Dies führe zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze im Streitjahr. Dementsprechend erließ das Finanzamt einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2001, in dem es die Umsatzsteuer entsprechend erhöhte.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Das FG geht im Ergebnis zu Recht von einer Entnahme der Verseilmaschine sowie der Büroeinrichtung aus dem Unternehmen des Klägers aus, bemisst diese Umsätze allerdings mit den ertragsteuerrechtlichen Buchwerten im Zeitpunkt der Entnahme unzutreffend. Die Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend über den Vorgang entscheiden zu können.
Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, wird nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 und Abs. 1b S. 2 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, sofern der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Vorliegend führte die unentgeltliche Überlassung der Verseilmaschine und der Büroeinrichtung an die F-KG zu einer Entnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG, weil die Unternehmereigenschaft des Klägers zugleich endete. Zu Recht bemisst das FG den Umsatz mit dem Einkaufspreis der entnommenen Gegenstände. Das Urteil des FG war dennoch aufzuheben, weil es zu Unrecht davon ausgeht, dass sich der Einkaufspreis ausschließlich nach den ertragsteuerlichen Buchwerten (teils zzgl. Sonderabschreibung und gewährten Zuschüssen) im Zeitpunkt der Entnahme richtet, ohne einen etwaigen geringeren Verkehrswert in Betracht zu ziehen.
Zu Recht geht das FG bei der Bemessung der Entnahme der Verseilmaschine und der Büroeinrichtung vom (fiktiven) Einkaufspreis zum Zeitpunkt ihrer Entnahme aus. Richtigerweise versteht das FG das Tatbestandsmerkmal "Einkaufspreis" auch richtlinienkonform unter Berücksichtigung der zeitlichen Konkretisierung in § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG ("zum Zeitpunkt des Umsatzes"). Danach ist die Wertentwicklung des entnommenen Gegenstands im Zeitraum zwischen seiner Anschaffung und seiner Lieferung nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen. Der Einkaufspreis "zum Zeitpunkt des Umsatzes" ist aber nicht stets der Restwert im Sinne eines historischen Einkaufspreises (Herstellungs- oder Anschaffungskosten) abzgl. der AfA bis zum Zeitpunkt der Entnahme. Ein solches Verständnis kann den EuGH-Urteilen "Fischer und Brandenstein" und "Marinov" nicht entnommen werden.
Vielmehr ist auf den tatsächlichen Restwert der entnommenen Gegenstände abzustellen. Dies schließt nicht aus, dass die Entnahme eines hergestellten oder angeschafften Gegenstands auch unter Heranziehung des ertragsteuerrechtlichen Buchwerts im Zeitpunkt der Entnahme bemessen werden kann. Dabei müssen aber stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Daher muss - entgegen dem FG - bei der Restwertbestimmung einzelfallbezogen auch eine zwischenzeitlich eingetretene - objektiv feststellbare - Wertminderung berücksichtigt werden. Andernfalls bliebe die Auslegung der zeitlichen Komponente im Sinne einer Wertentwicklung zwischen Herstellung oder Anschaffung und Entnahme nur unzureichend berücksichtigt.
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