Keine grenzüberschreitende Verlustverrechnung ohne tatsächliche Verlusttragung durch eine inländische Muttergesellschaft
Kurzbesprechung
BFH v. 9.8.2023 - I R 26/19
KStG § 14 Abs 1 S 1, § 17 S 1 Nr. 2
AktG § 291 Abs 1
AEUV Art 49, Art 54
GewStG § 2 Abs 2 S 2
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG setzt die Berücksichtigung der Verluste einer Tochtergesellschaft auf der Ebene der Muttergesellschaft ein zwischen beiden Unternehmen bestehendes Organschaftsverhältnis voraus. Dazu muss sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, für das in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KStG weitere Voraussetzungen normiert sind (Organträger).
Für andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG genannten Kapitalgesellschaften ‑ insbesondere für GmbH ‑ sieht § 17 KStG für die Begründung einer Organschaft modifizierte Anforderungen vor, die aber jedenfalls eine wirksame Verpflichtung zur Gewinnabführung an ein anderes Unternehmen und eine Vereinbarung über eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG erfordern.
Nach den Feststellungen des FG war zwischen der Steuerpflichtigen, die in den persönlichen Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 KStG fällt, und der s.a.r.l., die nach nationalem Recht keine taugliche Organgesellschaft ist, weil sie weder über eine inländische Geschäftsleitung noch über einen Sitz im Inland verfügte, keine Vereinbarung über eine Gewinnabführung (Verlustübernahme) abgeschlossen worden.
Der BFH hatte bislang keinen Anlass, abschließend zu den Voraussetzungen für eine Verlustverrechnung "über die Grenze" bei einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ansässigen (verlusterzielenden) Tochtergesellschaft und einer im Inland ansässigen Muttergesellschaft zu entscheiden. Auch im Streitfall war nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob die "kumulierten operativen Verluste" der s.a.r.l. über eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 14 ff. KStG ‑ im Sinne einer Restriktion des Tatbestandserfordernisses des Gewinnabführungsvertrags ‑ im Inland abzugsfähig sein könnten. Auch ist der bisher ergangenen EuGH - Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass die begehrte Verlustverrechnung ohne eine zumindest "faktisch gelebte Organschaft" möglich sein könnte, das heißt ohne dass die von der ausländischen Tochtergesellschaft jährlich erwirtschafteten Verluste von der inländischen Muttergesellschaft nach den Vorgaben der anzuwendenden nationalen Regelungen tatsächlich getragen worden sind.
Im Streitfall fehlte es vor der Geschäftseinstellung der s.a.r.l. an einer den inländischen Organschaftsregelungen entsprechenden tatsächlichen Übernahme der jährlichen Verluste durch die Steuerpflichtige.
Der BFH entschied, dass auch dann, wenn aus unionsrechtlichen Gründen auf eine vertragliche Gewinnabführungsverpflichtung vollständig zu verzichten wäre, als Grundvoraussetzung erforderlich bleibt, dass die Muttergesellschaft die angefallenen Verluste tatsächlich jährlich getragen hat. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der nationalen Organschaftsregelungen in §§ 14, 17 KStG, die als wesentliches ‑ und aus unionsrechtlicher Sicht unbedenkliches ‑ Strukturelement zumindest auf eine jährliche tatsächliche Verlustübernahme ausgerichtet sind, reicht hierfür eine Verlustübernahme (erst) zum Zeitpunkt der Finalität der Verluste (im Streitjahr) nicht aus.
Im Streitfall hatte das FG keinerlei Hinweise darauf festgestellt, dass die Steuerpflichtige und die s.a.r.l. ein "Organschaftsverhältnis auf faktischer Grundlage gelebt" haben. Denn die Steuerpflichtige hatte der s.a.r.l. fortwährend Fremdkapital in Gestalt von kreditierten Warenlieferungen (und nicht: Eigenkapital) zur Verfügung gestellt, so dass sie die laufenden Verluste der Tochtergesellschaft gerade nicht nach Maßgabe der §§ 14 ff. KStG getragen hatte. Auch sprachen die von der Steuerpflichtigen vorgenommenen Teilwertabschreibungen auf ihre gegenüber der s.a.r.l. bestehenden Forderungen "indiziell" gegen das Vorliegen eines faktischen Organschaftsverhältnisses.
Verlag Dr. Otto Schmidt
KStG § 14 Abs 1 S 1, § 17 S 1 Nr. 2
AktG § 291 Abs 1
AEUV Art 49, Art 54
GewStG § 2 Abs 2 S 2
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG setzt die Berücksichtigung der Verluste einer Tochtergesellschaft auf der Ebene der Muttergesellschaft ein zwischen beiden Unternehmen bestehendes Organschaftsverhältnis voraus. Dazu muss sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG verpflichten, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, für das in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KStG weitere Voraussetzungen normiert sind (Organträger).
Für andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG genannten Kapitalgesellschaften ‑ insbesondere für GmbH ‑ sieht § 17 KStG für die Begründung einer Organschaft modifizierte Anforderungen vor, die aber jedenfalls eine wirksame Verpflichtung zur Gewinnabführung an ein anderes Unternehmen und eine Vereinbarung über eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG erfordern.
Nach den Feststellungen des FG war zwischen der Steuerpflichtigen, die in den persönlichen Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 KStG fällt, und der s.a.r.l., die nach nationalem Recht keine taugliche Organgesellschaft ist, weil sie weder über eine inländische Geschäftsleitung noch über einen Sitz im Inland verfügte, keine Vereinbarung über eine Gewinnabführung (Verlustübernahme) abgeschlossen worden.
Der BFH hatte bislang keinen Anlass, abschließend zu den Voraussetzungen für eine Verlustverrechnung "über die Grenze" bei einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ansässigen (verlusterzielenden) Tochtergesellschaft und einer im Inland ansässigen Muttergesellschaft zu entscheiden. Auch im Streitfall war nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob die "kumulierten operativen Verluste" der s.a.r.l. über eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 14 ff. KStG ‑ im Sinne einer Restriktion des Tatbestandserfordernisses des Gewinnabführungsvertrags ‑ im Inland abzugsfähig sein könnten. Auch ist der bisher ergangenen EuGH - Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass die begehrte Verlustverrechnung ohne eine zumindest "faktisch gelebte Organschaft" möglich sein könnte, das heißt ohne dass die von der ausländischen Tochtergesellschaft jährlich erwirtschafteten Verluste von der inländischen Muttergesellschaft nach den Vorgaben der anzuwendenden nationalen Regelungen tatsächlich getragen worden sind.
Im Streitfall fehlte es vor der Geschäftseinstellung der s.a.r.l. an einer den inländischen Organschaftsregelungen entsprechenden tatsächlichen Übernahme der jährlichen Verluste durch die Steuerpflichtige.
Der BFH entschied, dass auch dann, wenn aus unionsrechtlichen Gründen auf eine vertragliche Gewinnabführungsverpflichtung vollständig zu verzichten wäre, als Grundvoraussetzung erforderlich bleibt, dass die Muttergesellschaft die angefallenen Verluste tatsächlich jährlich getragen hat. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der nationalen Organschaftsregelungen in §§ 14, 17 KStG, die als wesentliches ‑ und aus unionsrechtlicher Sicht unbedenkliches ‑ Strukturelement zumindest auf eine jährliche tatsächliche Verlustübernahme ausgerichtet sind, reicht hierfür eine Verlustübernahme (erst) zum Zeitpunkt der Finalität der Verluste (im Streitjahr) nicht aus.
Im Streitfall hatte das FG keinerlei Hinweise darauf festgestellt, dass die Steuerpflichtige und die s.a.r.l. ein "Organschaftsverhältnis auf faktischer Grundlage gelebt" haben. Denn die Steuerpflichtige hatte der s.a.r.l. fortwährend Fremdkapital in Gestalt von kreditierten Warenlieferungen (und nicht: Eigenkapital) zur Verfügung gestellt, so dass sie die laufenden Verluste der Tochtergesellschaft gerade nicht nach Maßgabe der §§ 14 ff. KStG getragen hatte. Auch sprachen die von der Steuerpflichtigen vorgenommenen Teilwertabschreibungen auf ihre gegenüber der s.a.r.l. bestehenden Forderungen "indiziell" gegen das Vorliegen eines faktischen Organschaftsverhältnisses.