Keine grundsätzliche Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung
FG Düsseldorf 11.2.2014, 13 K 3724/12 EDie Klägerin war Alleinerbin ihrer im Jahr 2007 verstorbenen Mutter. Nach Beantragung des Erbscheins zweifelte der Bruder der Klägerin an der Rechtmäßigkeit des Testamentes. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem der Klägerin im Jahr 2010 Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.460 € und Gerichtskosten i.H.v. 3.866 € entstanden waren, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden.
Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Das Finanzamt veranlagte sie dementsprechend zur Einkommensteuer. Dagegen legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der neuen - geänderten - BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 12.5.2011, VI R 42/10) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Das Finanzamt wies den Einspruch ab und die Klägerin darauf hin, dass in Bezug auf das betreffende BFH-Urteil ein Nichtanwendungserlass ergangen sei.
Das FG wie die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die von der Klägerin geltend gemachten Prozesskosten waren nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen.
Zwar können nach BFH-Rechtsprechung auch Zivilprozesskosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und damit als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein (Urt. v. 12.5.2011, VI R 42/10). Der Senat teilt die vom VI. Senat des BFH vertretene Auffassung allerdings nicht. Vielmehr ist die vom FG Hamburg (Urt. vom 24.9.2012, 1 K 195/11) sowie Teilen der Literatur geäußerte Kritik, dass die grundsätzliche Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht den Vorgaben des § 33 EStG entspricht, als zutreffend zu betrachten.
Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen, liegen. Der Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen ergänzt daher den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 EStG. Beide Vorschriften betreffen den existenziell notwendigen Lebensbedarf. Sie unterscheiden sich aber dadurch, dass der Grundfreibetrag den regelmäßig entstehenden existentiellen Grundbedarf typisierend abbildet, während demgegenüber § 33 EStG den unregelmäßigen und untypischen und damit nicht typisierbaren existenznotwendigen Aufwand betrifft.
Dieser Systematik trägt die geänderte BFH-Rechtsprechung nach Auffassung des Senats allerdings nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Der BFH sieht die "Außergewöhnlichkeit" von Prozesskosten vor dem Hintergrund als gegeben an, dass diese nicht im sozialhilferechtlichen Regelbedarf enthalten seien. Nach Auffassung des Senats bestehen aber insoweit gerade im Hinblick auf Prozesskosten Besonderheiten. Ebenso wie das EStG unterscheidet auch das Sozialrecht zwischen dem laufenden, regelmäßig entstehenden Grundbedarf, der sich in dem sog. Regelbedarf ausdrückt, und - vergleichbar den außergewöhnlichen Belastungen im EStG - dem sog. Mehr- und Sonderbedarf aufgrund atypischer Lebenssituationen. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bilden Prozesskosten weder Regel- noch Mehrbedarf.
Dagegen lässt die neuere BFH-Rechtsprechung, wonach jeder mit hinreichender Erfolgsaussicht geführte Zivilprozess als unausweichlich und damit als zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG anzusehen wäre, die dem Tatbestand des § 33 EStG immanente Beschränkung auf den existentiell notwendigen Lebensbedarf außer Acht. Der Senat schließt sich insofern der Kritik an, dass nach der geänderten Rechtsprechung auch die Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen wären, die mit dem notwendigen Lebensbedarf des Steuerpflichtigen nichts zu tun haben. Einen Abzug derartiger Aufwendungen gebietet das subjektive Nettoprinzip jedoch nicht. Dass die BFH-Rechtsprechung einen zu weitgehenden Abzug von Prozesskosten ermöglichen würde, wird nach Auffassung des Senats an der im Streitfall gegebenen Konstellation deutlich. Denn die im Zusammenhang mit der Erteilung des Erbscheins entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem existenziell notwendigen Lebensbedarf der Klägerin.
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