Keine Haftung wegen Firmenfortführung bei Übernahme einer Etablissementbezeichnung
BFH 20.5.2014, VII R 46/13Das Finanzamt wendet sich mit der Revision gegen die Aufhebung eines auf § 191 AO i.V.m. § 25 HGB gestützten Haftungsbescheids wegen Abgabenrückständen aus den Jahren 2004 bis 2006. Frau A betrieb in diesen Jahren - und darüber hinaus bis 2008 - als Vollkauffrau, aber ohne Eintragung ins Handelsregister, das Restaurant "XYZ". Gegenüber ihrem Steuerberater, dem Finanzamt, dem Gewerbeamt, der Brauerei und der Verpächterin trat Frau A unter ihrem Namen auf. Die Lieferanten adressierten ihre Rechnungen an "Ausländisches Restaurant XYZ Inh. A", "XYZ A X-Land Restaurant" u.ä.
Im April 2008 wurde die Klägerin gegründet und im Oktober 2008 mit der Firma "B Speise GmbH" ins Handelsregister eingetragen. Alleingesellschafter und Geschäftsführer war B. Im April 2008 pachtete dieser die Räumlichkeiten des Restaurants samt Inventar und verpachtete sie sogleich an die Klägerin in Gründung (i.Gr.) weiter. Im Juli 2008 meldete die Klägerin i.Gr. beim Gewerbeamt ein ausländisches Restaurant an. Ende Juli 2008 erwarb die Klägerin i.Gr., vertreten durch den Geschäftsführer B, von Frau A Inventar, Vorräte etc. Die Klägerin i.Gr. beschäftigte ab August 2008 - mit einer Ausnahme - alle vorhandenen Angestellten weiter, ebenso Frau A. Ein Hinweis auf die Firma "B Speise GmbH" fand sich in der Werbung und auf den Speisekarten nicht.
Die Lieferverträge für das Restaurant wurden von der Klägerin neu abgeschlossen. Die Lieferanten von Speisen und Getränken, Gas und Heizöl stellten ihre Rechnungen ab August 2008 an die "B Speise GmbH". Einzelne Lieferanten nutzten auch folgende Bezeichnungen: "YZ Speise GmbH", "YZ X-Land Restaurant" oder "Ausländisches Rest. XYZ" u.a. Das Finanzamt nahm die Klägerin wegen der Betriebsübernahme für Abgaberückstände der Jahre 2004 bis 2006 in Haftung.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und hob den Haftungsbescheid auf. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 191 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 HGB im Streitfall nicht vorliegen.
Gem. § 25 Abs. 1 HGB haftet derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Wesentliche Voraussetzung für diese Nachfolgehaftung ist neben der Geschäftsfortführung die Fortführung des Handelsgeschäfts unter der "bisherigen Firma" (§ 25 Abs. 1 HGB) bzw. die "Fortführung der Firma" (vgl. § 26 Abs. 1 S. 1 HGB). Gem. § 17 Abs. 1 HGB ist die Firma eines Kaufmanns der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Entscheidendes Merkmal einer Firma ist, dass dieser Name geeignet ist, den Geschäftsinhaber - den Schuldner der Verbindlichkeit - im Rechtsverkehr zu individualisieren. Eine Geschäfts- oder Etablissementbezeichnung, die lediglich das Geschäftslokal oder den Betrieb allgemein, nicht aber den Geschäftsinhaber kennzeichnet, ist keine Firma.
Vorliegend ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Firma der früheren Inhaberin nicht fortgeführt hat. Frau A hat unter ihrem Namen und die Klägerin unter der Firma "B Speise GmbH" firmiert. Bei der Bezeichnung "Ausländisches Restaurant (X) YZ" handelte es sich im vorliegenden Fall um eine reine Geschäfts- oder Etablissementbezeichnung, deren Fortführung keine Firmenfortführung i.S.d. § 25 HGB ist. Gegenüber Behörden, Lieferanten, der Verpächterin etc. trat die ursprüngliche Geschäftsinhaberin, Frau A, unter ihrem Namen auf. Entsprechendes gilt für die Klägerin, die mit der Firma, mit der sie ins Handelsregister eingetragen war, tatsächlich auch im Rechtsverkehr auftrat. Soweit einzelne Rechnungen an das Restaurant adressiert waren, handelt es sich ersichtlich um Ungenauigkeiten der Rechnungssteller.
Es ist nicht davon auszugehen, dass im Streitfall der Gaststättenname "(Ausländisches Restaurant) XYZ" aus Gästesicht die Firma der jeweiligen Inhaberin war. Es handelte sich bei "XYZ" um den Namen einer bekannten historischen Person, so dass es für Restaurantgäste fernlag anzunehmen, der Inhaber der Gaststätte trage diesen Namen. Auch wenn gem. § 18 HGB n.F. sog. "Phantasiefirmen" zulässig sind, wurde der Restaurantname jedoch im Streitfall nicht als Firma geführt. Entscheidend ist, dass sowohl die frühere Inhaberin des Restaurants als auch die Klägerin die Bezeichnung "(ausländisches Restaurant) (X) YZ" im rechtsgeschäftlichen Verkehr, in Geschäftsbriefen oder Verträgen und bei Unterschriften nicht als ihren Namen, d.h. nicht "firmenmäßig" verwendet haben.
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