30.10.2018

Keine Kürzung des inländischen Kindergeldanspruchs bei fehlender Weiterleitung des Antrags an den vorrangig zuständigen Staat

Nach Art 68 Abs. 2 der VO 883/2004 sind zwar die vom nachrangig zuständigen Staat zustehenden Ansprüche bis zur Höhe der im vorrangen Staat vorgesehenen Leistungen auszusetzen, es ist auch der Antrag an den vorrangig zuständigen Träger weiterzuleiten und nur der Differenzbetrag zu leisten. Solange dieser unionsrechtlich vorgesehene Ablauf nicht eingehalten wird, ist dagegen das volle Kindergeld zu gewähren.

FG Düsseldorf 28.5.2018, 7 K 1723/17 Kg
Der Sachverhalt:

Die mit ihren heute 21 und 24 Jahre alten Kindern in Deutschland lebende Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie war seit mindestens Januar 2010 in den Niederlanden nichtselbständig tätig und entrichtete dort Sozialversicherungsbeiträge. Dem deutschen Kindergeld entsprechende Leistungen hat sie in den Niederlanden weder beantragt noch bezogen. In ihren Anträgen auf Kinderzuschlag und Kindergeld hatte sie angegeben, nicht berufstätig zu sein. In einem 2004 gestellten Antrag beantwortete sie die Frage, ob sie im Ausland als Arbeitnehmerin tätig sei, mit nein, ebenso in einem Antrag vom aus 2012. Sie wurde dabei mehrfach darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen anzugeben.

Die Klägerin erhielt Kindergeld bis März 2012 bzw. bis September 2015 Kindergeld in der sich nach dem EStG ergebenden Höhe. Erstmals im September 2015 gab sie an, ab Januar 2010 bis heute in den Niederlanden nichtselbständig tätig gewesen zu sein. Im Oktober 2015 hob der Antragsgegner die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2010 gem. § 70 Abs. 2 EStG auf, soweit ein Anspruch in den Niederlanden bestehe und forderte rund 8.760 € überzahltes Kindergeld zurück. Im Einspruchsverfahren wurde dieser Bescheid aufgehoben.

Die von der Familienkasse über diesen Sachverhalt informierte Soziale Verzekeringsbank zahlte niederländisches Kindergeld nur für ein Kind für den Zeitraum Juli 2014 bis September 2015. Weil die Beschäftigung in den Niederlanden erst am 11.8.2015 bei der deutschen Kindergeldstelle gemeldet worden sei, stehe der Zahlung weiterer Beträge die Verjährung des Anspruchs entgegen. Die Familienkasse erließ im Januar 2017 einen weiteren Bescheid. Dabei wurde die Festsetzung des Kindergeldes für beide Kinder ab Januar 2010 i.H.d. in den Niederlanden zustehenden Kindergeldes aufgehoben. Gleichzeitig wurde für den Zeitraum von Januar 2010 bis September 2015 zu viel gezahltes Kindergeld i.H.v. 8049 € zurückgefordert.

Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage größtenteils stattgegeben. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:

Die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung für den Zeitraum Juli 2014 bis September 2015 waren rechtmäßig. Für diesen Zeitraum standen der Klägerin niederländische, dem deutschen Kindergeld entsprechende Leistungen zu, die die Klägerin auch erhalten hat. Sie minderten den Anspruch der Klägerin auf deutsches Kindergeld, dies ergibt sich aus der ab Mai 2010 geltenden EG Verordnung Nr. 883/2004 und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung 987/2009.

Allerdings hat die Klägerin einen Anspruch auf Kindergeld für ein Kind von Mai 2010 bis März 2012 und für das andere Kind ab Mai 2010 bis Juni 2014 aus §§ 62 Abs. 1 Nr. 2 b), 63 Abs. 1 und § 64 Abs. 2 S. 2 EStG, ohne Anrechnung des -nicht gezahlten- niederländischen Kindergeldes. Nach Art 68 Abs. 2 der VO 883/2004 sind zwar die vom nachrangig zuständigen Staat zustehenden Ansprüche bis zur Höhe der im vorrangen Staat vorgesehenen Leistungen auszusetzen, es ist, wie auch die Familienkasse meint, der Antrag an den vorrangig zuständigen Träger weiterzuleiten und nur der Differenzbetrag zu leisten. Solange dieser unionsrechtlich vorgesehene Ablauf nicht eingehalten wird, ist dagegen das volle Kindergeld zu gewähren (so zutreffend Urteile des FG Münster vom 5.8.2016, Az.: 4 K 3115/14 Kg und des FG Nürnberg vom 15.2.2017, Az.: 3 K 1601/14).

Dies gilt besonders, wenn der andere Staat aus Verjährungsgründen nicht bereit ist, für zurückliegende Zeiträume Kindergeld zu gewähren. Ihre Grenze findet diese Auslegung, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellung im anderen Mitgeldstaat missbräuchlich unterlassen wurde. Dafür besteht aber im Regelfall kein Grund, da die Unterlassung nicht zu einem höheren Kindergeldanspruch führen würde, der Antrag daher wohl nur aus Unkenntnis der Rechtslage nicht gestellt wurde. Gegenteiliges ist hier nicht ersichtlich.

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