13.04.2023

Keine Lieferung von dezentral verbrauchtem Strom

Die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.

Kurzbesprechung
BFH v. 29. 11. 2022 - XI R 18/21

UStG § 1 Abs 1 Nr. 1 S. 2, § 3 Abs 1
EGRL 112/2006 Art 14 Abs 2 Buchst a
KWKG § 4 Abs 3a
EEG 2009 § 8 Abs 2


Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dabei entfällt die Steuerbarkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt.

Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Dabei bezieht sich der Begriff "Lieferung von Gegenständen" nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer.

Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert und/oder physisch von ihr empfangen wird. Im Übrigen beinhaltet die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, dass die Partei, auf die diese Befähigung übertragen wird, die Möglichkeit hat, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands auswirken, etwa die Entscheidung, den Gegenstand zu verkaufen.

Der sog. Direktverbrauch bei zuschlagsberechtigten KWK-Anlagen führt nicht zu einer Lieferung an den Betreiber des Stromnetzes (Netzbetreiber). Zwar kann auch elektrischer Strom Gegenstand einer Lieferung sein. Im Streitfall wurde aber der Steuerpflichtigen nicht die Verfügungsmacht an dem erzeugten Strom übertragen. Denn es wurde kein Strom in das Netz eingespeist und wieder zurückübertragen, so dass weder Substanz, Wert oder Ertrag übergegangen sind.

Eine Stromlieferung kann auch nicht fingiert werden. Gesetzliche Lieferfiktionen des nationalen Rechts und des Unionsrechts wie sie in § 3 Abs. 3 UStG und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL vorgesehen sind, greifen im Streitfall nicht ein. Insbesondere liefert der Netzbetreiber den Strom nicht für Rechnung des Anlagenbetreibers an den Anlagenbetreiber. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung zum Dreifachumsatz für den Streitfall ohne Bedeutung.

Eine Hin- und Rücklieferung ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 3a KWKG 2009. Es handelt sich hierbei insbesondere nicht um eine Regelung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG (vgl. auch Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL), wonach ein Umsatz nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt. Abweichendes ergibt sich für den Streitfall auch nicht aus § 8 EEG 2009.

Vor diesem Hintergrund kam im Streitfall auch die Annahme einer sonstigen Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG nicht in Betracht, da bereits nicht ersichtlich ist, worin eine derartige Leistung bestehen sollte. Denn der Anlagenbetreiber erhält hinsichtlich seines selbst dezentral verbrauchten Stroms keinen verbrauchfähigen Vorteil von der Steuerpflichtigen zurück, sondern hat ihn behalten. Auch die vertraglich vereinbarte Möglichkeit der Einspeisung von Strom durch den Anlagenbetreiber an die Steuerpflichtige ändert daran nichts. Einen Vorteil hat der Anlagenbetreiber allein aufgrund dieser Möglichkeit insoweit nicht erhalten. Der Zuschlag nach § 4 Abs. 3a KWKG 2009 dient lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse und soll nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Zahlenden sein.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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