20.07.2023

Keine Nacherhebung von Schaumweinsteuer

Ein Steuerbescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig, wenn er für einen Veranlagungszeitraum ergeht, für den bereits ein ‑‑wirksamer‑‑ Steuerbescheid (hier: Steueranmeldungen) gegenüber demselben Adressaten besteht, ohne dass sich nach dem Wortlaut des Bescheids oder im Wege der Auslegung ergibt, in welchem Verhältnis der zuletzt ergangene zu dem zuvor ergangenen Bescheid steht.

Kurzbesprechung
BFH v. 18.4.2023 - VII R 59/20

AO § 119, § 124 Abs 3, § 125 Abs 1, § 157, § 168, § 226
BGB § 133, § 157
SchaumwZwStG § 15
EUV 952/2013 Art 105 Abs 4


Streitig war die Rechtmäßigkeit der "Nacherhebung" von Schaumweinsteuer durch einen Schaumweinsteuerbescheid nach Durchführung einer Außenprüfung, wenn die für den betreffenden Zeitraum abgegebenen Steueranmeldungen von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich geändert wurden.

Nach § 15 Abs. 1 (und § 29 Abs. 3) des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes hat der Steuerschuldner in der Regel am zehnten Tag des auf die Entstehung der Steuer folgenden Monats eine Steueranmeldung abzugeben und die Steuerschuld spätestens am fünften Tag des zweiten auf die Steuerentstehung folgenden Monats zu entrichten. Die Einzelheiten der Steueranmeldung ergeben sich aus § 30 der Verordnung zur Durchführung des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes.

Eine Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die Steueranmeldungen der Steuerpflichtigen für die Monate Januar bis Juni 2015 stellen nach §§ 167, 168, 164 AO wirksame Verwaltungsakte dar. Den nachfolgend ergangenen Nacherhebungsbescheid hob der BFH wegen Nichtigkeit auf.

Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt, dem die in der Anmeldung liegende Festsetzung der Schaumweinsteuer gleich zu achten ist, nur dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ist der Inhaltsadressat im Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig, ohne dass er in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könnte.

Im Streitfall ließ sich den Steueranmeldungen zweifelsfrei entnehmen, wer Inhaltsadressat sein soll, denn als Steuerschuldner/Antragsteller ist in den Formularen die Steuerpflichtige angegeben. Der nachfolgend ergangene Steuerbescheid lässt nicht deutlich erkennen, in welchem Verhältnis er zu den genannten Steueranmeldungen der Steuerpflichtigen für die Monate Januar bis Juni 2015 steht. Dieser wesentliche Mangel führt zur Nichtigkeit des Steuerbescheids.

Außerdem widersprechen sich die im Tenor zum Ausdruck kommende Festsetzung eines bestimmten Steuerbetrags und die hierzu nachfolgend aufgeführte Berechnung. Diese offensichtliche Widersprüchlichkeit ist für den BFH der wesentlichste Gesichtspunkt für die Annahme der Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids. Das HZA beabsichtigte möglicherweise eine höhere Steuer festzusetzen, hatte allerdings im Tenor eine niedrigere Steuerfestsetzung ausgesprochen.

Außerdem deutet die Verwendung der Formulierung "Nacherhebung" darauf hin, dass es sich aus Sicht des HZA um einen Ergänzungs- oder Nachforderungsbescheid handeln sollte. Einen solchen Nachforderungsbescheid kennt die AO ‑ im Gegensatz zum Zollkodex (ZK) und zum Unionszollkodex ‑ jedoch nicht. Vielmehr hat die Finanzbehörde die jeweilige Steuer für einen Besteuerungszeitraum in einem einzigen Bescheid festzusetzen. Eine entsprechende Anwendung von Art. 105 Abs. 4 des Unionszollkodex (vorher Art. 220 ZK) kommt nicht in Betracht, weil im Verbrauchsteuerrecht die AO anzuwenden ist und diese die Steuerfestsetzung abschließend regelt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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