30.05.2018

Keine sog. "tatsächliche Verständigung" mit dem Finanzamt über Hinterziehungszinsen möglich

Die wegen einer Steuerhinterziehung festzusetzenden Hinterziehungszinsen können nicht Gegenstand einer sog. "tatsächlichen Verständigung" zwischen Steuerpflichtigem und Finanzamt sein. Die Rechtsfolge, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung zwingend Hinterziehungszinsen festgesetzt werden müssen, ergibt sich bereits aus dem Gesetz und ist daher einer Einigung nicht zugänglich.

FG Rheinland-Pfalz 12.4.2018, 6 K 2254/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt in der Vorderpfalz einen Gebrauchtwagenhandel. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass er in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen hatte, deren Höhe allerdings nicht mehr zweifelsfrei aufgeklärt werden konnte. Der Kläger und das Finanzamt einigten sich daher in einer schriftlich dokumentierten sog. "tatsächlichen Verständigung" dahingehend, dass nicht verbuchte Einnahmen anzusetzen und die Gewinne um die vereinbarten Beträge (rund 100.000 € pro Jahr) zu erhöhen seien.

Nach Bestandskraft der entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide setzte das Finanzamt Hinterziehungszinsen von rund 9.800 € fest. Der Kläger war der Ansicht, dass im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden sei, der auch die Hinterziehungszinsen habe beinhalten sollen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Über die hiergegen gerichtete Klage ist noch nicht entschieden. Außerdem stellte der Kläger beim Finanzamt einen Antrag auf Erlass der Hinterziehungszinsen. Gegen die Ablehnung dieses Erlassantrags hat der Kläger (nach erfolglosem Einspruchsverfahren) ebenfalls Klage erhoben, die vom FG mit abgewiesen wurde. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Dem Kläger werden die Hinterziehungszinsen von rund 9.800 € nicht erlassen.

Die schriftlich abgefasste tatsächliche Verständigung enthält keine Vereinbarung zu den Hinterziehungszinsen. Eine wie auch immer geartete mündliche Zusage wurde ebenfalls nicht nachgewiesen. Unabhängig davon wäre eine solche (mündliche wie schriftliche) Vereinbarung auch gar nicht zulässig und daher - jedenfalls für das Gericht - ohnehin nicht bindend.

Eine tatsächliche Verständigung oder Zusage ist allenfalls in Bezug auf einen unklaren Sachverhalt oder bei Entscheidungen zulässig, bei denen der Finanzverwaltung ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zusteht. Bei reinen Rechtsfragen hingegen können solche Vereinbarungen nach ständiger BFH-Rechtsprechung hingegen nicht getroffen werden. Die Rechtsfolge, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung - die hier aufgrund der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide feststeht - zwingend Hinterziehungszinsen festgesetzt werden müssen, ergibt sich bereits aus dem Gesetz und ist daher einer Einigung nicht zugänglich.

Hintergrund:
Im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung bei Verdacht einer Steuerhinterziehung kann es zu einer schriftlichen tatsächlichen Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt kommen, da die Sachverhalte teils lange zurückliegen und mitunter sehr schwierig zu ermitteln sind (z.B. bei Auslandssachverhalten). Bei diesem Verfahren ist allerdings zu berücksichtigen, dass Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung weder schriftlich noch mündlich der Verzicht des Finanzamtes auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann. Bei der Auslotung der Möglichkeit einer tatsächlichen Verständigung sollte der Steuerpflichtige in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung - zur Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten vor dem FG - daher berücksichtigen, dass bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung zwingend noch Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.

FG Rheinland-Pfalz PM vom 30.5.2018
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