Keine Steuerbefreiung für unechte Factoringleistungen
FG München 31.8.2016, 3 K 874/14Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind Abrechnung und Factoring von ärztlichen Privatliquidationen. Die Klägerin hatte in den Streitjahren 2005 bis 2007 ihre Leistungen in zwei verschiedenen Vertragsgestaltungen, nämlich der sog. Inkassotätigkeit sowie der sog. Vorfinanzierung, angeboten. Bei der Inkassotätigkeit übernahm sie den Einzug der Forderungen im Namen und für Rechnung der beauftragenden Ärzte. Beim Vertragsmodell der Vorfinanzierung ließ sich die Klägerin vertragsgemäß Honorarforderungen des jeweiligen Arztes gegen dessen Patienten abtreten und schrieb ihm dafür nach Eingang der Belege den Rechnungsbetrag abzüglich einer Bearbeitungsgebühr gut. Die abgetretenen Honorarforderungen machte die Klägerin dann gegenüber den Patienten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend.
Bei Forderungsausfall bzw. Nichterfüllung innerhalb von höchstens 90 Tagen stand der Klägerin ein Anspruch auf Rückabwicklung des Forderungskaufs zu. Die Bearbeitungsgebühr wurde dabei mit den einzelnen Auftraggebern individuell ausgehandelt und setzte sich ausweislich des beispielhaft vorgelegten sog. Stammdatenblatts zusammen aus einer prozentualen Abrechnungsgebühr sowie einer Vorfinanzierungsgebühr (Kreditgebühr) i.H.v. 1,2% des jeweiligen Rechnungsbetrages.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre, die nicht zustimmungsbedürftig waren bzw. denen das Finanzamt im Wege einer allgemein erteilten Zustimmung zugestimmt hatte, erklärte die Klägerin die Bearbeitungsgebühren einschließlich der Kreditgebühren als Umsätze zum Regelsteuersatz. Später beantragte sie eine Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2005 mit der Begründung, dass die Vorfinanzierungsgebühren als Entgelt für steuerfreie Umsätze anzusehen seien. Das Finanzamt vertrat allerdings die Auffassung, dass die Kreditgebühren in vollem Umfang Entgelt für steuerpflichtige Leistungen darstellten und lehnte den Antrag auf Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2005 ab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundlegender Bedeutung der rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hatte die Kreditgebühren zu Recht als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze behandelt.
Die von der Klägerin im Rahmen des Vorfinanzierungsvertragsmodells an ihre Kunden (Ärzte) erbrachten Leistungen stellen eine einheitliche steuerpflichtige Leistung dar. Die von ihr in Zusammenhang mit dem Erwerb von ärztlichen Honorarforderungen gegen sofortige Zahlung eines - um die Bearbeitungsgebühren verminderten - Betrags erbrachten Leistungen stellen eine sonstige Leistung gegen Entgelt dar. In der Zuwendung eines Liquiditätsvorteils an die Leistungsempfänger (Ärzte) gegen eine Vorfinanzierungsgebühr i.H.v. 1,2% des jeweiligen Rechnungsbetrages ist gerade keine selbstständige Leistung in Form einer steuerfreien Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8a UStG zu sehen. Allein aus dem Umstand, dass den Ärzten ein Liquiditätsvorteil dadurch entsteht, dass sie den, um die Kreditgebühr, geminderten Kaufpreis der Forderung bereits vor Einziehung der Forderung erhalten, kann noch nicht gefolgert werden, dass es sich hierbei um eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung handelt. Die Zinszahlung (Kreditgebühr) für die Vorfinanzierung stellt insoweit allenfalls einen Teil des steuerpflichtigen Entgelts für die Factoring-Leistung der Klägerin dar.
Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung. Zwar hat der BFH mit Urteil vom 10.12.1981 (Az.: V R 75/76) entschieden, dass es sich beim unechten Factoring-Geschäft um eine Mehrheit von selbstständigen Hauptleistungen handle, da keiner der aufgeführten Leistungen ein leistungsbestimmender Charakter beizumessen sei, demgegenüber alle übrigen Leistungen als unselbstständige Nebenleistungen dieser Hauptleistung zurückträten, und demzufolge für die Kreditgewährung gem. § 4 Nr. 8a UStG Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden könne. Der EuGH hat jedoch mit Urteil vom 26.6.2003 (Rs.: C-305/01) und damit zeitlich nachfolgend - wenngleich bezogen auf die Fragen des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit sowie einer nicht der Steuerbefreiung unterfallenden Einziehung von Forderungen bei echtem Factoring - entschieden, dass es keinen Grund gebe, der eine Ungleichbehandlung des echten und des unechten Factorings bei der Mehrwertsteuer rechtfertigen könne.
In der Literatur wird aus diesem EuGH-Urteil überwiegend gefolgert, dass es sich beim unechten Factoring demzufolge um eine - in vollem Umfang steuerpflichtige - einheitliche Leistung handelt, zumal da der EuGH - anders als der Generalanwalt in seinem Schlussantrag - seine Ausführungen in Bezug auf den Status des Factoring nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a.E. der 6. EG-Richtlinie ausdrücklich auch auf das unechte Factoring erweitert hat, das jedoch Züge eines Kreditgeschäftes trägt. Da es klärungsbedürftig ist, ob der BFH an seinen mit Urteil vom 10.12.1981 für den Fall des unechten Factorings entwickelten Rechtsgrundsätzen im Hinblick auf das EuGH-Urteil noch festhält, wurde die Revision zugelassen.
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