Keine Steuerpause bei der Erbschaftsteuer
FG Köln v. 8.11.2018 - 7 K 3022/17Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer im August 2016 verstorbenen Tante. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Guthaben bei einer Bank i.H.v. 167.046 € und der Auszahlung aus einer Lebensversicherung i.H.v. 1.168 €. Nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere verschiedener Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, verblieb der Klägerin ein Erwerb durch Erbanfall i.H.v. 65.759 €.
Das Finanzamt setzte unter Berücksichtigung einer Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2016 i.H.v. 3.700 € und eines Freibetrags gem. § 16 Abs. 1 ErbStG 2016 i.H.v. 20.000 € mit Bescheid vom 1.6.2017 Erbschaftssteuer i.H.v. 6.300 € fest. Die Klägerin war der Ansicht, dass für Erbfälle, die nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) bis zur Verkündung des ErbstAnpG 2016 eingetreten seien, kein Erbschaftsteuergesetz bestanden habe, auf dessen Grundlage Erbschaftssteuer hätte festgesetzt werden können.
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Das Verfahren ist bei BFH unter dem Az.: II R 1/19 anhängig.
Die Gründe:
Das ErbStG 2016 stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer für den 2016 eingetretenen Erbfall dar. Dies ergibt sich aus der rückwirkenden Inkraftsetzung des ErbstAnpG 2016 mit Wirkung zum 1.7.2016 (Art. 3 des Gesetzes) und der speziellen Anwendungsregelung in § 37 Abs. 12 ErbStG 2016, wonach die Neuregelungen zur Besteuerung von Betriebsvermögen für alle Erwerbe gelten, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht. Der Senat ist weder im Hinblick auf die gesetzlich angeordnete Rückwirkung noch im Hinblick auf die inhaltlichen Änderungen in Bezug auf die Besteuerung von Betriebsvermögen von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugt. Daher war das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und keine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Die im ErbStAnpG 2016 angeordnete Rückwirkung ist umfassend zulässig. Es handelt sich im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht um eine echte Rückwirkung, die aber unter jedem Gesichtspunkt zulässig ist. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer entsteht gem. § 9 ErbStG 2016 regelmäßig mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2016) bzw. bei Schenkungen mit dem Zeitpunkt ihrer Ausführung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 2016). Nach dem im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht geltenden sog. Stichtagsprinzip sind auch auf diese Stichtage die Wertermittlungen durchzuführen (§ 11 ErbStG 2016). Nachträgliche Wertveränderungen an dem übergegangenen Vermögen sind regelmäßig nicht mehr zu berücksichtigen.
So findet das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der BVerfG-Rechtsprechung anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen.
Der Gesetzgeber hat versucht, die Anforderungen des BVerfG durch höchst komplexe Regelungen gespickt mit Missbrauchsvermeidungsvorschriften zu erfüllen. Daher wird in verfassungsrechtlicher Hinsicht auch die Frage gestellt, ob die erbschaftsteuerliche Behandlung des Unternehmensvermögens nach neuem Recht unkalkulierbar und deshalb wegen Normenunbestimmtheit und -unklarheit verfassungswidrig sei. Diese Frage vermag der Senat zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls mit der Sicherheit zu bejahen, die es für eine Vorlage an das BVerfG bedürfte.
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