18.11.2011

Keine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung bei Verschleierung des wahren Erwerbers im Bestimmungsland

Verschleiert ein Lieferant im Inland die Identität des wahren Erwerbers, um diesem die Hinterziehung der im Bestimmungsland für den Erwerb geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen, ist die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a UStG) von der Umsatzsteuer zu versagen. In einem solchen Fall reicht bereits eine einseitige Täuschung durch den Lieferanten. Das Ergebnis steht auch im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung, die in Umsetzung des EuGH-Urteils vom 7.12.2010 (Rs.: C-285/09) ergangen war.

BGH 20.10.2011, 1 StR 41/09
Der Sachverhalt:
Der Angeklagte war Geschäftsführer der P-GmbH, ein Unternehmen, das mit hochwertigen Fahrzeugen handelte. Käufer der Fahrzeuge waren zum größten Teil gewerblich tätige Fahrzeughändler, die in Portugal geschäftsansässig waren. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen der P-GmbH für die Jahre 2002 und 2003 steuerpflichtige Lieferungen von Gebrauchtwagen an die portugiesischen Fahrzeughändler vorsätzlich als steuerfrei behandelt. Dazu verschleierte er in einem "ausgeklügelten System" unter Verwendung unrichtiger Belege, die er auch in die Buchhaltung der P-GmbH aufnahm, die wirklichen portugiesischen Erwerber der Fahrzeuge und unterstützte diese damit bei der Umgehung der Erwerbsbesteuerung in Portugal.

Das LG verurteilte den Angeklagten gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die Revision des Angeklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 6a UStG lagen nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der nach Portugal gelieferten Gebrauchtwagen die Identität der wahren Erwerber verschleiert hatte, um diesen dort eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen. Die Versagung der Steuerbefreiung beruht auf zwei nebeneinander bestehenden Gründen:

Durch die Verschleierung der Abnehmer - und zwar kollusiv mit diesen - zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung fehlte es für die Steuerbefreiung bereits an den in § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG enthaltenen Befreiungsvoraussetzungen. Es lag nämlich eine beiderseitige Täuschung durch Lieferanten und Abnehmer vor.

Eine Befreiung von der deutschen Umsatzsteuer kam außerdem nicht in Betracht, weil der Angeklagte zudem einseitig - unbeschadet der Tatbeiträge der Abnehmer - gegen die sich aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a, § 17c UStDV ergebenden Anforderungen an den Buch- und Belegnachweis verstoßen hatte, um den wahren Erwerbern in Portugal eine Umsatzsteuerhinterziehung zu ermöglichen. Wegen der zu diesem Zweck vorgenommenen Verschleierung der Identität der Erwerber war es ihm verwehrt, sich später darauf zu berufen, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung tatsächlich stattgefunden hatte. In einem solchen Fall reicht bereits eine einseitige Täuschung durch den Lieferanten. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung, die in Umsetzung des EuGH-Urteils vom 7.12.2010 (Rs.: C-285/09) ergangen war.

Eine Ausnahme besteht zwar, wenn trotz derartiger Nachweismängel feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind. Diese Ausnahme greift aber nicht ein, wenn der Verstoß gegen die Nachweispflichten den "sicheren Nachweis" - also den zweifelsfrei objektiven Nachweis - verhinderte, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt werden. Darüber hinaus verbleibt es auch dann bei der Steuerpflicht, wenn - obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit objektiv vorliegen - der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Buch- und Belegnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen.

Linkhinweis:

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